HENSOLDT: Vom Nachzügler zum Tech-Champion? Aktie auf dem Radar

HENSOLDT baut keine Panzer, sondern das, was sie sehend und denkend macht. Als Spezialist für Sensoren, Radar und elektronische Kampfführung ist der Konzern das technologische Herzstück der neuen europäischen Verteidigung und ein zentraler Profiteur der Zeitenwende.

Veröffentlicht am 24.06.2025

Was genau macht HENSOLDT? Mehr als nur klassische Rüstung

Um das Potenzial von HENSOLDT zu verstehen, muss man zunächst mit einem verbreiteten Missverständnis aufräumen. Das Unternehmen aus Taufkirchen bei München stellt keine Panzer, keine Gewehre und keine Fregatten her. Stattdessen liefert es das, was diese Plattformen erst wirklich einsatzfähig macht: die sensorischen Organe und das Nervensystem der modernen Verteidigung. Das Portfolio lässt sich in vier Kernbereiche gliedern:

  1. Radar: HENSOLDT ist einer der weltweit führenden Anbieter von Radarsystemen für die Luft-, See- und Landüberwachung. Ein prominentes Beispiel ist das hochmoderne AESA-Radar (Active Electronically Scanned Array) für den Eurofighter-Kampfjet. Diese Systeme können nicht nur Ziele auf große Entfernung erkennen und verfolgen, sondern auch mehrere Aufgaben gleichzeitig erfüllen, von der Aufklärung bis zur elektronischen Kampfführung.
  2. Optronik: In diesem Bereich geht es um das „Sehen“ unter allen Bedingungen. HENSOLDT entwickelt und fertigt Hochleistungskameras, Wärmebildgeräte und Laserentfernungsmesser. Diese kommen in Periskopen für U-Boote, Zielsystemen für gepanzerte Fahrzeuge oder Überwachungsanlagen für Grenzen und kritische Infrastrukturen zum Einsatz.
  3. Elektronische Kampfführung (Electronic Warfare): In einer digitalisierten Welt wird der elektromagnetische Raum zum Schlachtfeld. Die Systeme von HENSOLDT dienen dazu, feindliche Radar- und Kommunikationssignale aufzuklären, zu stören und die eigenen Kräfte vor elektronischen Angriffen zu schützen. Dies ist ein entscheidender Fähigkeitsvorteil in modernen Konfliktszenarien.
  4. Avionik: Hierunter fallen kritische Elektroniksysteme für Luftfahrzeuge, wie etwa Bordrechner, Missionscomputer und fortschrittliche Displays, die Piloten alle relevanten Informationen gebündelt zur Verfügung stellen.

Der eigentliche Clou liegt jedoch nicht in den einzelnen Produkten, sondern in ihrer Vernetzung. HENSOLDT positioniert sich als Spezialist für „Sensorfusion“. Dabei werden die Daten aus unterschiedlichsten Quellen – Radar, Optik, elektronische Signale – mithilfe von künstlicher Intelligenz und komplexen Algorithmen zu einem einheitlichen, umfassenden Lagebild zusammengefügt. Diese Fähigkeit, aus einer Flut von Daten entscheidungsrelevante Informationen zu generieren, ist der Kern der digitalen Transformation von Streitkräften und ein zentraler Wettbewerbsvorteil des Unternehmens. Die strategische Übernahme der ESG Elektroniksystem- und Logistik-GmbH hat diese Kompetenz im Bereich Software, Systemintegration und sichere IT nochmals massiv gestärkt.

Die „Zeitenwende“ als Katalysator: Ein Blick auf die Zahlen und Aufträge

Die politische Neuausrichtung der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik seit 2022 wirkte für HENSOLDT wie ein Brandbeschleuniger. Das Sondervermögen der Bundeswehr in Höhe von 100 Milliarden Euro und die Zusage, das NATO-Ziel von 2 % des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigungsausgaben dauerhaft zu erfüllen, haben die Auftragsbücher gefüllt und für eine langfristige Planungssicherheit gesorgt.

Der Auftragsbestand des Unternehmens hat sich auf ein Rekordniveau entwickelt und sichert die Auslastung für mehrere Jahre im Voraus. Dies ist kein abstraktes Phänomen, sondern manifestiert sich in ganz konkreten Projekten:

  • Eurofighter-Modernisierung: HENSOLDT rüstet die deutsche und spanische Eurofighter-Flotte mit dem neuen Radar „Mk1“ aus. Ein Milliardenauftrag, der die technologische Führung im Bereich der Kampfflugzeugsensorik untermauert.
  • Luftverteidigungssystem IRIS-T SLM: Für das international hoch angesehene Luftverteidigungssystem liefert HENSOLDT das entscheidende TRML-4D Hochleistungsradar. Jeder Erfolg dieses Systems, wie in der Ukraine demonstriert, ist auch eine Referenz für die Leistungsfähigkeit von HENSOLDT-Technologie.
  • Future Combat Air System (FCAS): Als nationaler Anführer für die Sensorsäule ist HENSOLDT maßgeblich an der Entwicklung des wichtigsten europäischen Rüstungsprojekts der nächsten Jahrzehnte beteiligt. Hier geht es um ein vernetztes System aus bemannten Kampfjets und unbemannten Drohnenschwärmen, bei dem die Sensorfusion der Schlüssel zum Erfolg ist.
  • Drohnenabwehr: Mit Systemen wie „Elysion C-UAS“ bedient HENSOLDT einen hochaktuellen und wachsenden Markt zum Schutz vor den Gefahren durch kleine und mittlere Drohnen.

Diese Projekte zeigen, dass HENSOLDT nicht nur von kurzfristigen Nachbeschaffungen profitiert, sondern tief in den strategischen, langfristigen Modernisierungsvorhaben der Bundeswehr und europäischer Partner verankert ist. Der hohe Anteil an Software und Service verspricht zudem wiederkehrende Umsätze und höhere Margen als im klassischen Plattformbau.

Die Stärken: Was HENSOLDT von der Konkurrenz abhebt

Ein Investment-Case für HENSOLDT stützt sich auf mehrere fundamentale Stärken, die das Unternehmen von vielen Wettbewerbern differenzieren. An erster Stelle steht die bereits erwähnte Technologieführerschaft in der Nische der Sensorik und elektronischen Kampfführung. Während große Konzerne oft ganze Systeme von der Schraube bis zur Rakete bauen, konzentriert sich HENSOLDT auf das hochprofitable und technologisch anspruchsvolle Gehirn dieser Systeme.

Ein weiterer entscheidender Vorteil ist die Plattformunabhängigkeit. HENSOLDT-Sensoren können in eine Vielzahl von bestehenden und neuen Plattformen integriert werden, seien es deutsche, amerikanische oder andere europäische Fabrikate. Dies eröffnet einen globalen Markt und reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Großprojekten. Die enge Partnerschaft mit der Bundeswehr und die Rolle als nationaler Champion sichern zudem einen strategischen Heimvorteil bei deutschen und europäischen Vergaben.

Nicht zu unterschätzen ist auch der wachsende zivile Geschäftsbereich. Die gleichen Technologien, die militärische Anlagen schützen, können auch für die Überwachung von Flughäfen, Industrieanlagen, Pipelines oder bei der Bekämpfung von Wilderei eingesetzt werden. Dieser Bereich dient als Diversifikation und Innovationsmotor, auch wenn er aktuell noch einen kleineren Teil des Umsatzes ausmacht.

Die Risiken: Wo lauern die Herausforderungen für Investoren?

Trotz der positiven Aussichten wäre eine Analyse unvollständig ohne einen klaren Blick auf die Risiken. Das größte Risiko für HENSOLDT ist und bleibt die politische Abhängigkeit. Verteidigungshaushalte sind das Ergebnis politischer Prozesse und können sich mit neuen Regierungen oder veränderten Prioritäten ändern. Ebenso unterliegt das Unternehmen strengen Exportkontrollen. Insbesondere bei Lieferungen in Länder außerhalb von EU und NATO können politische Entscheidungen schnell zu Umsatzverlusten führen.

Der Wettbewerb ist zudem intensiv. HENSOLDT konkurriert mit globalen Giganten wie Thales aus Frankreich, Leonardo aus Italien sowie den großen US-Verteidigungskonzernen, die über deutlich größere Budgets für Forschung und Entwicklung verfügen. Es ist eine ständige Herausforderung, den technologischen Vorsprung zu halten.

Schließlich ist die Bewertung der Aktie zu nennen. Seit dem Beginn der „Zeitenwende“ hat sich der Aktienkurs vervielfacht. Ein Großteil der positiven Nachrichten rund um steigende Verteidigungsausgaben dürfte bereits im aktuellen Kurs eingepreist sein. Anleger müssen sich fragen, ob das zukünftige Wachstumspotenzial die hohe Bewertung noch rechtfertigt oder ob eine Enttäuschung bei Großaufträgen zu einer scharfen Korrektur führen könnte.

Fakt Beschreibung
Hauptsitz Taufkirchen, Deutschland
Börsenlisting MDAX, Frankfurter Wertpapierbörse
CEO Thomas Müller
Mitarbeiterzahl Rund 8.000 (nach Integration der ESG GmbH)
Kernsegmente Radar, Optronik, Elektronische Kampfführung, Avionik
Strategische Schlüsselprojekte Eurofighter-Radar, FCAS, IRIS-T SLM Radar, Drohnenabwehr
Wichtigster Kunde Bundeswehr und die Bundesrepublik Deutschland
Strategisches Ziel Führender europäischer Champion für Verteidigungselektronik und Sensorlösungen

Langfristige Perspektiven und die Rolle der Innovation

Wer über den Tellerrand der aktuellen Auftragslage hinausschaut, erkennt die wahren langfristigen Wachstumstreiber für HENSOLDT. Die Digitalisierung des Schlachtfelds steht erst am Anfang. Zukünftige Konflikte werden maßgeblich von der Fähigkeit entschieden, Informationsüberlegenheit zu erlangen und zu halten. Themen wie Künstliche Intelligenz zur automatisierten Zielerkennung, Cybersicherheit zur Abwehr von Angriffen auf vernetzte Systeme und die Erschließung des Weltraums als strategische Domäne sind keine Zukunftsmusik, sondern bereits heute zentrale Forschungs- und Entwicklungsfelder bei HENSOLDT.

Das Unternehmen investiert einen signifikanten Teil seines Umsatzes in F&E, um seine technologische Souveränität zu sichern. Diese Innovationskraft ist der Schlüssel, um auch in zehn oder zwanzig Jahren noch relevant zu sein, wenn die aktuellen Rüstungsprogramme auslaufen. Die Fähigkeit, komplexe Software und Hardware aus einer Hand zu liefern, positioniert HENSOLDT ideal für die nächste Generation von Verteidigungssystemen, die noch stärker auf Autonomie und Vernetzung setzen werden.

Fazit: Ist die HENSOLDT-Aktie ein Kauf?

HENSOLDT hat sich erfolgreich von einem Rüstungs-Nachzügler zu einem anerkannten Technologie-Champion gewandelt. Das Unternehmen ist weit mehr als ein reiner Profiteur der „Zeitenwende“. Es ist ein technologisch führender Spezialist, dessen Produkte und Fähigkeiten für die Modernisierung der europäischen Streitkräfte unverzichtbar sind. Der prall gefüllte Auftragsbestand sorgt für hohe Visibilität, während die zentrale Rolle in Zukunftsprojekten wie FCAS langfristige Fantasie bietet.

Dem gegenüber stehen die nicht zu vernachlässigenden Risiken einer hohen politischen Abhängigkeit, eines intensiven Wettbewerbs und einer bereits ambitionierten Bewertung. Ein Investment in HENSOLDT ist daher keine risikolose Wette auf steigende Rüstungsausgaben.

Für Anleger mit einem langen Atem, die von der Notwendigkeit einer technologischen Modernisierung der europäischen Verteidigung überzeugt sind und die spezifischen Risiken des Sektors akzeptieren, stellt die Aktie jedoch einen der reinsten und vielversprechendsten Wege dar, in diesen Megatrend zu investieren. Es ist eine Wette nicht nur auf Hardware, sondern auf die entscheidende Software und Intelligenz, die Europas Sicherheit in einer zunehmend unsicheren Welt gewährleisten soll.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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