Strabag AG: Großprojekte, geopolitische Risiken – Europas Bau-Riese

Die Strabag SE steht auf einem Fundament aus Rekordzahlen, getragen vom boomenden Infrastrukturbau in Europa. Doch während die Auftragsbücher voll sind, werfen geopolitische Risiken und eine Altlast aus Russland lange Schatten. Eine tiefgehende Analyse der aktuellen Geschäftslage.

Veröffentlicht am 24.06.2025

Ein Fundament aus Beton und Rekordzahlen: Die aktuelle Geschäftslage

Ein Blick auf die reinen Zahlen vermittelt zunächst ein Bild der Stärke. Das Geschäftsjahr 2024 schloss die Strabag mit einer beeindruckenden Leistung von 19,2 Milliarden Euro ab, was einem leichten Wachstum von einem Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Noch aussagekräftiger ist der Auftragsbestand, der einen neuen historischen Höchststand erreichte. Dieses prall gefüllte Auftragsbuch sorgt für eine hohe Auslastung und Planungssicherheit für die kommenden Jahre.

Die Treiber dieses Erfolgs sind vielfältig und geografisch breit gestreut. Besonders in Deutschland und Polen brummt das Geschäft. Hier profitiert der Konzern von massiven Investitionen in die Infrastruktur. Zu den Leuchtturmprojekten gehören unter anderem:

  1. Netzausbau für die Energiewende: In Deutschland sichert sich Strabag Aufträge im Wert von über 1,1 Milliarden Euro für den Bau von Stromtrassen, die für den Transport erneuerbarer Energien von Nord nach Süd unerlässlich sind.
  2. Schieneninfrastruktur: Die Generalsanierung der wichtigen Bahnstrecke Hamburg–Berlin ist ein weiteres milliardenschweres Vorhaben, das die Kompetenz des Unternehmens im Verkehrswegebau unterstreicht.
  3. Internationale Großprojekte: Über die Grenzen Europas hinaus ist Strabag ebenfalls aktiv, beispielsweise beim Bau einer neuen Schnellbahnlinie in Toronto (Kanada) oder bei einem großen Wohnbauprojekt in Abu Dhabi.

Diese Diversifikation ist ein zentraler Pfeiler der Unternehmensstrategie. Während die Geschäfte in Deutschland, Polen, Italien und dem Nahen Osten zulegen konnten, verzeichnete der Konzern in seinen Kernmärkten Österreich und Ungarn leichte Rückgänge. Diese Entwicklung zeigt, wie wichtig eine breite geografische Aufstellung ist, um Schwankungen in einzelnen nationalen Märkten auszugleichen.

Der Motor brummt: Verkehrswegebau als zentraler Wachstumstreiber

Ein Segment sticht in der aktuellen Geschäftsentwicklung besonders hervor: der Verkehrswegebau. Mit einer Bauleistung von rund 4 Milliarden Euro im Jahr 2024 und einem Wachstum von 5,7 Prozent erweist sich dieser Bereich als verlässlicher Motor. Die Gründe hierfür sind struktureller Natur. In ganz Europa besteht ein enormer Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bei Straßen, Brücken und Schienennetzen. Jahrzehntelang wurde auf Verschleiß gefahren, nun zwingen Sicherheitsaspekte und neue Mobilitätsanforderungen die öffentliche Hand zum Handeln.

Die Strabag ist hier hervorragend positioniert. Das Unternehmen verfügt über das technische Know-how und die Kapazitäten, um komplexe Großprojekte wie den Neubau der Schleuse Kriegenbrunn in Bayern oder den Umbau der F.D. Roosevelt Klinik in der Slowakei zu stemmen. Projekte dieser Größenordnung erfordern nicht nur Bau-Expertise, sondern auch ein ausgefeiltes Projektmanagement – eine Kernkompetenz des Konzerns.

Zudem profitiert der Verkehrswegebau direkt von den politischen Zielen der Europäischen Union. Der "Green Deal" und die nationalen Klimaschutzpläne sehen massive Investitionen in den öffentlichen Verkehr und die Schiene vor. Für die Strabag bedeutet dies eine langfristig gesicherte Nachfrage in einem ihrer wichtigsten Geschäftsfelder.

Geopolitische Störfeuer: Das russische Erbe und andere Risiken

Trotz der operativen Stärke schweben dunkle Wolken über dem Konzern, die vor allem aus der geopolitischen Sphäre stammen. Die bedeutendste Belastung ist die historische Verflechtung mit dem russischen Oligarchen Oleg Deripaska, dessen Anteile seit den Sanktionen eingefroren sind. Die Strabag unternimmt seit Längerem große Anstrengungen, diese Beteiligung zu neutralisieren und den russischen Einfluss komplett zu kappen. Dieses "russische Erbe" führt jedoch immer wieder zu rechtlichen Auseinandersetzungen und einer latenten Unsicherheit, die auch auf dem Aktienkurs lastet.

Neben diesem spezifischen Problem wirken sich die globalen Spannungen auch auf das Tagesgeschäft aus. Die bereits erwähnten Rückgänge in Ungarn sind teilweise auf eine sich eintrübende politische und wirtschaftliche Lage zurückzuführen. Generell gilt: Jede politische Instabilität in einem der Kernmärkte kann zu Verzögerungen bei Projekten, Zahlungsausfällen oder der Stornierung öffentlicher Aufträge führen.

Weitere externe Risikofaktoren, denen sich die gesamte Branche stellen muss, sind:

  • Materialkosten und Inflation: Auch wenn sich die Preissteigerungen bei Baustoffen etwas abgeschwächt haben, bleiben sie auf einem hohen Niveau und belasten die Margen.
  • Zinsentwicklung: Höhere Zinsen verteuern die Finanzierung von Projekten und können die private und öffentliche Investitionsneigung dämpfen.
  • Fachkräftemangel: Der Wettbewerb um qualifizierte Ingenieure, Bauleiter und Facharbeiter ist intensiv und treibt die Personalkosten in die Höhe.

Die Strabag begegnet diesen Herausforderungen mit einem strikten Kostenmanagement und einer selektiven Auftragsannahme, bei der die Profitabilität über das reine Volumenwachstum gestellt wird.

Fakten-Check: Strabag AG auf einen Blick
Vorstandsvorsitzender Klemens Haselsteiner
Hauptsitz Wien, Österreich
Gründung 1835 (als Anton Lerchbaumer)
Leistung (2024) ca. 19,2 Mrd. EUR
Auftragsbestand (Ende 2024) ca. 25,5 Mrd. EUR
Wichtige Märkte Deutschland, Österreich, Polen, Tschechien, Ungarn
Aktuelle ISIN AT000000STR1

Work in Progress: Nachhaltigkeit und Innovation als Zukunftsstrategie

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, investiert die Strabag massiv in zwei Zukunftsfelder: Nachhaltigkeit und Innovation. Das Motto "Work on Progress" ist mehr als nur ein Marketing-Slogan. Es spiegelt den Wandel von einem traditionellen Bauunternehmen zu einem technologieorientierten Baudienstleister wider.

Im Bereich der Nachhaltigkeit setzt der Konzern auf die Kreislaufwirtschaft. Ein Paradebeispiel ist die Generalsanierung der österreichischen Südautobahn A2. Hier werden rund 70 Prozent des alten Fahrbahnbelags recycelt und wiederverwendet. Insgesamt werden 40.000 Tonnen Recyclingasphalt verbaut, was nicht nur Ressourcen schont, sondern auch Kosten senkt und die CO2-Bilanz verbessert. Solche Verfahren werden zunehmend zum Standard und sind oft ein entscheidendes Kriterium bei der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Parallel dazu treibt die Strabag die Digitalisierung der Bauprozesse voran. Technologien wie Building Information Modeling (BIM) ermöglichen eine digitale Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Bauwerken. Fehler können frühzeitig im virtuellen Modell erkannt, Abläufe optimiert und die Effizienz auf der Baustelle signifikant gesteigert werden. Für Anleger sind diese Investitionen ein wichtiges Signal, da sie die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells sichern und langfristig zu stabileren Margen führen können.

Strategische Weichenstellungen: Investitionen und Akquisitionen

Die finanzielle Solidität erlaubt es der Strabag, auch in einem unsicheren Umfeld strategisch zu agieren. Für das laufende Jahr 2025 sind Netto-Investitionen von maximal 1,1 Milliarden Euro geplant. Gleichzeitig strebt das Management eine Normalisierung der operativen Marge auf einem Niveau von mindestens 4,5 Prozent an. Diese Zielsetzung signalisiert eine disziplinierte und renditeorientierte Wachstumsstrategie.

Ein Teil dieser Strategie sind gezielte Zukäufe, um Kapazitäten zu erweitern und neue Kompetenzen zu erwerben. Ein aktuelles Beispiel ist die erst kürzlich im Juni 2025 abgeschlossene Übernahme der Sandkamp Tiefbau GmbH in Gronau. Mit dieser Akquisition stärkt die Strabag ihre Position im spezialisierten Rohrleitungsbau – ein Sektor, der im Zuge der Energiewende und der Modernisierung von Wasser- und Abwassernetzen an Bedeutung gewinnt. Solche strategischen Zukäufe sind kluge Schachzüge, um organisch zu wachsen und sich schneller an veränderte Marktanforderungen anzupassen.

Ausblick für Anleger: Chancen und Risiken der Strabag-Aktie

Für Investoren ergibt sich ein differenziertes Bild. Die Strabag SE ist zweifellos ein europäischer Champion mit einer exzellenten Marktposition und einem beeindruckenden Auftragsbestand, der für Jahre Visibilität schafft.

Die Chancen:

  • Strukturelles Wachstum: Der Bedarf an Infrastrukturmodernisierung, der Ausbau erneuerbarer Energien und der Schienenverkehr bieten auf Jahre hinaus ein stabiles Nachfrageumfeld.
  • Starke Marktposition: Als einer der wenigen Player, die komplexe Großprojekte europaweit stemmen können, profitiert die Strabag von hohen Markteintrittsbarrieren.
  • Diversifikation: Die breite geografische und segmentale Aufstellung hilft, konjunkturelle und politische Risiken in einzelnen Märkten abzufedern.
  • Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation: Die Investitionen in zukunftsfähige Technologien und Prozesse sichern die Wettbewerbsfähigkeit und können die Margen langfristig verbessern.

Die Risiken:

  • Geopolitische Unsicherheit: Das "russische Erbe" bleibt ein unkalkulierbarer Faktor, der für Volatilität sorgen kann. Politische Instabilität in Kernmärkten ist eine ständige Bedrohung.
  • Makroökonomischer Gegenwind: Anhaltende Inflation, hohe Zinsen und ein Mangel an Fachkräften können die Profitabilität belasten.
  • Abhängigkeit von öffentlichen Budgets: Ein signifikanter Teil des Geschäfts hängt von der Investitionsbereitschaft des Staates ab. Sparmaßnahmen im öffentlichen Sektor könnten das Wachstum bremsen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Strabag operativ auf einem sehr soliden Fundament steht. Der Konzern ist ein zentraler Akteur bei der Gestaltung der europäischen Zukunftsinfrastruktur. Anleger, die in die Strabag-Aktie investieren, setzen auf diese langfristige strukturelle Wachstumsstory. Sie müssen jedoch bereit sein, die inhärenten Risiken eines zyklischen und politisch sensiblen Geschäftsmodells zu tragen. Die Fähigkeit des Managements, erfolgreich durch das komplexe Spannungsfeld aus operativen Chancen und externen Bedrohungen zu navigieren, wird entscheidend für die zukünftige Performance der Aktie sein.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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