Jenseits DAX: Chancen deutscher und europäischer Nebenwerte

Abseits der Börsen-Prominenz bieten Nebenwerte oft höhere Renditen als DAX-Konzerne. Erfahren Sie, was diese „Hidden Champions“ auszeichnet, welche Chancen sie bieten und wie Sie gezielt in das oft übersehene, aber wachstumsstarke Rückgrat der Wirtschaft investieren können.

Veröffentlicht am 21.06.2025

Was sind Nebenwerte eigentlich? Eine Definition jenseits der Börsen-Prominenz

Der Begriff "Nebenwerte" ist im Grunde eine Sammelbezeichnung für Aktien von Unternehmen, die nach ihrer Marktkapitalisierung – also dem Gesamtwert aller Aktien eines Unternehmens am Markt – nicht zu den größten und liquidesten Standardwerten (Blue Chips) gehören. In Deutschland ist die Abgrenzung klar strukturiert:

  • DAX (Deutscher Aktienindex): Umfasst die 40 größten und umsatzstärksten Unternehmen, die an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet sind. Sie sind die unangefochtenen Large Caps.
  • MDAX (Mid-Cap-DAX): Versammelt die 50 auf den DAX folgenden Unternehmen. Diese mittelgroßen Firmen (Mid Caps) sind oft bereits etablierte Marktführer in ihren Branchen, aber eben nicht groß genug für die erste Börsenliga.
  • SDAX (Small-Cap-DAX): Bildet die 70 nächstkleineren Unternehmen ab. Diese Small Caps sind häufig hochinnovative Spezialisten, Nischenplayer oder aufstrebende Firmen mit erheblichem Wachstumspotenzial.

Zusammenfassend kann man sagen, dass über 95 Prozent aller in Deutschland börsennotierten Aktiengesellschaften zu den Nebenwerten zählen. Sie bilden das wirtschaftliche Rückgrat der deutschen Wirtschaft – den berühmten Mittelstand. Auf europäischer Ebene ist das Bild ähnlich. Indizes wie der STOXX Europe Small 200 fassen die kleineren, aber oft wachstumsstarken Unternehmen des gesamten Kontinents zusammen. Sie agieren abseits der im Euro Stoxx 50 versammelten multinationalen Konzerne und bieten dadurch ein völlig anderes Chancen-Risiko-Profil.

Das Paradox der Nebenwerte: Warum sie so oft übersehen werden

Die geringere Aufmerksamkeit für Nebenwerte hat mehrere Gründe, die gleichzeitig die Basis für ihre Chancen bilden. Ein Hauptgrund ist die geringere Abdeckung durch Analysten und Medien. Während jedes Quartalsergebnis eines DAX-Konzerns intensiv analysiert und kommentiert wird, veröffentlichen viele Nebenwerte ihre Zahlen oft vor einem kleineren Publikum. Diese relative Unsichtbarkeit führt zu einer geringeren Effizienz des Marktes. Informationen verbreiten sich langsamer, was es für sorgfältige Anleger möglich macht, unterbewertete Unternehmen zu finden, bevor es die breite Masse tut.

Ein weiterer Aspekt ist die geringere Liquidität. Das Handelsvolumen von Nebenwerte-Aktien ist oft deutlich niedriger als das von Blue Chips. Für große institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften oder Pensionskassen ist es daher schwierig, signifikante Positionen auf- oder abzubauen, ohne den Kurs selbst stark zu beeinflussen. Für Privatanleger ist dies jedoch selten ein Problem. Im Gegenteil: Sie können von den Kursschwankungen profitieren, die durch diese geringere Liquidität entstehen können, und die Ineffizienzen des Marktes für sich nutzen.

Die Chancen: Warum sich der Blick in die zweite Reihe lohnt

Die historische Performance spricht eine klare Sprache. Wer langfristig denkt, konnte mit Nebenwerten oft eine deutlich höhere Rendite erzielen als mit den Standardwerten. So hat der MDAX seit seiner Gründung vor über 25 Jahren den DAX in der Wertentwicklung klar hinter sich gelassen. Während der DAX im selben Zeitraum eine Performance von rund 500 Prozent erzielte, brachte es der Index der mittelgroßen Werte auf eine beeindruckende Rendite von über 1000 Prozent. Dieses Phänomen wird oft als "Small-Cap-Effekt" bezeichnet: die empirisch belegte Tendenz, dass kleinere Unternehmen langfristig höhere Renditen erwirtschaften.

Die Gründe für diese Outperformance sind vielfältig:

  1. Wachstumspotenzial: Für ein Unternehmen mit 500 Millionen Euro Marktkapitalisierung ist es rein mathematisch einfacher, seinen Wert zu verdoppeln, als für einen 150-Milliarden-Euro-Konzern. Nebenwerte befinden sich oft in einer dynamischeren Wachstumsphase.
  2. Innovation und Agilität: Kleinere Unternehmen können schneller auf Marktveränderungen reagieren. Sie haben schlankere Strukturen, kürzere Entscheidungswege und oft eine innovationsfreundlichere Unternehmenskultur. Viele sind Technologieführer in ihrer Nische.
  3. Hidden Champions: Viele deutsche und europäische Nebenwerte sind in ihren hochspezialisierten Märkten Weltmarktführer. Sie produzieren unverzichtbare Komponenten für die Industrie, Medizintechnik oder Softwarelösungen, ohne dass ihr Name der breiten Öffentlichkeit bekannt ist.
  4. Übernahmeziele: Erfolgreiche Nischenplayer werden häufig zu attraktiven Übernahmekandidaten für größere Konzerne, die sich Know-how oder Marktzugang einkaufen wollen. Solche Übernahmeangebote führen in der Regel zu deutlichen Kurssprüngen bei der Aktie des Zielunternehmens.

Risiken und Nachteile: Kein Licht ohne Schatten

Wo höhere Renditechancen locken, lauern in der Regel auch höhere Risiken. Anleger sollten sich dieser bewusst sein, bevor sie in Nebenwerte investieren. Die höhere Volatilität ist der offensichtlichste Punkt. Die Kurse von Nebenwerte-Aktien schwanken oft stärker als die von Blue Chips. In wirtschaftlichen Krisenphasen oder bei allgemeinen Marktkorrekturen geben sie tendenziell stärker nach. Dies erfordert von Anlegern stärkere Nerven und einen längeren Anlagehorizont.

Die bereits erwähnte geringere Liquidität kann sich auch als Nachteil erweisen. In panischen Marktphasen kann es schwierig werden, Aktien schnell und ohne größere Kursabschläge zu verkaufen. Zudem ist die Informationslage oft dünner. Während man zu den DAX-Konzernen unzählige Analysen findet, erfordert die Bewertung eines Small Caps mehr eigene Recherche. Anleger müssen bereit sein, Geschäftsberichte zu studieren und das Geschäftsmodell des Unternehmens wirklich zu verstehen.

Die Werkzeugkiste des Anlegers: Wie man in Nebenwerte investiert

Für Anleger, die von den Chancen der Nebenwerte profitieren möchten, gibt es grundsätzlich zwei Wege: den direkten Kauf von Einzelaktien oder den indirekten Weg über Fonds und ETFs.

Einzelaktien: Dieser Weg verspricht die höchsten potenziellen Renditen, erfordert aber auch den größten Aufwand. Eine gründliche Fundamentalanalyse ist unerlässlich. Wichtige Kennzahlen sind das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV), das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), die Eigenkapitalquote und der Verschuldungsgrad. Noch wichtiger ist jedoch das qualitative Verständnis: In welchem Markt ist das Unternehmen tätig? Was ist sein Wettbewerbsvorteil (Burggraben)? Wie kompetent ist das Management? Wer hier seine Hausaufgaben macht, kann wahre Perlen entdecken.

ETFs und Fonds: Für Anleger, die den Aufwand der Einzeltitelauswahl scheuen, bieten sich börsengehandelte Indexfonds (ETFs) an. Mit einem ETF auf den MDAX, SDAX oder einen europäischen Small-Cap-Index investiert man automatisch breit gestreut in Dutzende von Unternehmen. Das reduziert das Risiko eines Totalausfalls einzelner Firmen erheblich und man partizipiert an der allgemeinen Entwicklung des Segments. Aktiv gemanagte Fonds bieten zudem die Expertise eines Fondsmanagements, das gezielt die aussichtsreichsten Unternehmen auswählt – allerdings fallen hierfür höhere Gebühren an.

Fakten auf einen Blick: Nebenwerte vs. Blue Chips

Die folgende Tabelle stellt die zentralen Unterschiede zwischen Nebenwerten und Standardwerten (Blue Chips) kompakt dar:

Merkmal Nebenwerte (Small & Mid Caps) Standardwerte (Blue Chips)
Marktkapitalisierung Niedrig bis mittel (z.B. unter 5 Mrd. EUR) Hoch (z.B. über 20 Mrd. EUR)
Analysten-Coverage Gering bis mittel Sehr hoch und umfassend
Volatilität (Schwankung) In der Regel höher In der Regel niedriger
Liquidität (Handelbarkeit) Geringer Sehr hoch
Wachstumspotenzial Überdurchschnittlich hoch Moderat, oft durch Dividenden getragen
Informationsbeschaffung Erfordert mehr Eigenrecherche Informationen sind leicht verfügbar
Bekanntheitsgrad Oft nur Brancheninsidern bekannt Hohe Bekanntheit in der Öffentlichkeit

:

Fazit: Ein Plädoyer für den zweiten Blick

Die Fixierung auf den DAX und andere Leitindizes ist verständlich, doch sie lässt Anleger einen der spannendsten und potenziell lukrativsten Bereiche des Aktienmarktes übersehen. Deutsche und europäische Nebenwerte sind das Kraftzentrum der Wirtschaft. Sie sind oft innovativer, wachsen schneller und bieten durch ihre geringere Bekanntheit die Chance auf eine echte Entdeckung.

Natürlich ist ein Investment in Small und Mid Caps kein Selbstläufer. Es erfordert eine höhere Risikobereitschaft und, im Falle von Einzelaktien, eine gründliche Analyse. Doch für Anleger mit einem langfristigen Horizont, die bereit sind, über den Tellerrand der Blue Chips hinauszuschauen, können Nebenwerte eine exzellente Beimischung für das Portfolio sein. Ob über einen breit streuenden ETF oder die gezielte Auswahl von "Hidden Champions" – der Mut, sich in die zweite und dritte Börsenreihe zu wagen, wurde in der Vergangenheit oft reich belohnt und verspricht auch in Zukunft, eine Quelle überdurchschnittlicher Renditen zu sein.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

Haftungsausschluss: Bei allen Inhalten auf Börse.net handelt es sich ausdrücklich nicht um Anlageberatung. Ihre Risikodisposition kann von uns nicht eingeschätzt werden. Der Autor besitzt keines der genannten Wertpapiere. Keiner der Inhalte stellt ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Falls Sie sich doch zu einem Kauf oder Verkauf entscheiden, handeln Sie immer auf eigenes Risiko.

Teilen

Die wichtigsten Börsen-News in Ihr Postfach

Melden Sie sich an, um Zugang zu Premium-Inhalten zu erhalten, oder kontaktieren Sie uns, wenn Sie irgendwelche Fragen haben.

Jetzt abonnieren