TUI-Aktie: Comeback durch Kreuzfahrt? Reise-Gigant im Check

Nach einer Dekade des Wertverlusts kämpft sich TUI zurück. Die Reiselust treibt das operative Geschäft an, doch der massive Schuldenberg bleibt die größte Gefahr. Eine Analyse zwischen Turnaround-Chance und hohem Risiko für Anleger.

Veröffentlicht am 20.06.2025

Die TUI-Aktie im Rückspiegel: Eine Dekade der Turbulenzen

Ein Blick auf die langfristige Entwicklung der TUI-Aktie ist für Anleger ernüchternd und notwendig zugleich, um die aktuelle Situation einordnen zu können. Wer vor zehn Jahren in den Reisekonzern investierte, blickt heute auf einen dramatischen Wertverlust. Über die letzte Dekade summiert sich das Minus auf über 90 Prozent, was einer durchschnittlichen jährlichen Negativrendite von mehr als 20 Prozent entspricht. Dieser Absturz war nicht allein der Pandemie geschuldet, sondern auch strukturellen Herausforderungen und einem intensiven Wettbewerb.

Die Corona-Krise wirkte jedoch wie ein Brandbeschleuniger. Um das Überleben zu sichern, war TUI auf milliardenschwere staatliche Hilfspakete und mehrere Kapitalerhöhungen angewiesen. Diese Maßnahmen retteten das Unternehmen zwar vor der Insolvenz, führten aber zu einer massiven Verwässerung der Anteile bestehender Aktionäre. Jeder, der damals investiert war, sah den Wert seines Anteils am Unternehmen schrumpfen. Die Rückzahlung der Staatshilfen und der Abbau des gigantischen Schuldenbergs wurden zur obersten Priorität und prägen die Unternehmensstrategie bis heute.

Das Geschäftsmodell auf dem Prüfstand: Mehr als nur Pauschalreisen

Um das Potenzial von TUI zu verstehen, muss man das Geschäftsmodell hinter der Marke kennen. TUI ist weit mehr als nur ein Reisevermittler. Der Konzern verfolgt ein vertikal integriertes Modell, das die gesamte touristische Wertschöpfungskette abdeckt. Dieses Modell hat sowohl Vor- als auch Nachteile.

Zu den Kernbereichen gehören:

  1. Markets & Airlines: Das klassische Reiseveranstaltergeschäft in verschiedenen europäischen Quellmärkten, unterstützt von einer eigenen Flotte von Flugzeugen.
  2. Holiday Experiences (Urlaubserlebnisse): Dieser Bereich ist zum heimlichen Star und wichtigsten Gewinnbringer avanciert. Er umfasst:
    • Hotels & Resorts: Ein Portfolio eigener und von TUI betriebener Hotelmarken wie Riu, Robinson oder TUI Blue.
    • Cruises: Das hochprofitable Kreuzfahrtgeschäft, betrieben durch die Joint Ventures TUI Cruises (mit Royal Caribbean) und Hapag-Lloyd Cruises sowie Marella Cruises in Großbritannien.
    • TUI Musement: Eine wachsende digitale Plattform für die Vermittlung von Touren, Aktivitäten und Erlebnissen in den Urlaubsdestinationen.

Während der Pandemie erwies sich die hohe Abhängigkeit von eigenen Flugzeugen und Hotels als massiver Nachteil, da die Fixkosten weiterliefen. In der Erholungsphase zeigt sich nun die Stärke dieses Modells: TUI hat die Kontrolle über Qualität, Preisgestaltung und Kundenerlebnis. Insbesondere das Segment "Holiday Experiences" treibt die Erholung an. Hotels und Kreuzfahrten liefern hohe Margen, während TUI Musement als skalierbare Digitalplattform strategisch wichtiges Wachstumspotenzial bietet.

Zahlen, Daten, Fakten: Die Bilanz des Comebacks (Stand Juni 2025)

Die jüngsten Geschäftszahlen untermauern die positive operative Entwicklung. Im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres 2025 konnte TUI den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um beachtliche 13 Prozent auf 4,9 Milliarden Euro steigern. Noch beeindruckender ist die Entwicklung des bereinigten operativen Ergebnisses (EBIT), das von 6,0 Millionen auf 50,9 Millionen Euro zulegte. Ein klares Zeichen, dass die eingeleiteten Effizienzmaßnahmen greifen.

Auch die Nachfrage stimmt: Mit 3,7 Millionen Gästen reisten 6 Prozent mehr Menschen mit TUI als im Vorjahreszeitraum. Die durchschnittliche Auslastung blieb mit 85 Prozent auf einem stabilen, hohen Niveau. Besonders erfreulich ist das Wachstum bei dynamisch paketierten Reisen, deren Anzahl um 18 Prozent zunahm. Dies zeigt, dass TUI flexibler auf Kundenwünsche reagieren kann.

Ein Meilenstein für die finanzielle Stabilisierung wurde im Februar 2025 erreicht, als die Ratingagentur Fitch das Kreditrating von TUI auf „BB“ mit stabilem Ausblick anhob. Damit hat das Unternehmen nach eigener Aussage sein Finanzprofil auf Vor-Pandemie-Niveau zurückgebracht. Dies ist ein wichtiges Signal an die Finanzmärkte und erleichtert die künftige Refinanzierung zu besseren Konditionen.

Die große Herausforderung: Der Kampf gegen den Schuldenberg

Trotz der operativen Erfolge bleibt die hohe Verschuldung die Achillesferse von TUI. Der Schuldenabbau hat oberste Priorität für das Management unter CEO Sebastian Ebel. Durch eine Kapitalerhöhung im Jahr 2023 konnten die Staatshilfen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) vollständig zurückgezahlt werden. Ein wichtiger symbolischer und finanzieller Schritt.

Dennoch drückt die verbleibende Nettoverschuldung auf die Bilanz. Hohe Schulden bedeuten hohe Zinszahlungen, die den Gewinn schmälern und die finanzielle Flexibilität des Unternehmens einschränken. Jeder Euro, der für Zinsen aufgewendet werden muss, fehlt für Investitionen in die Zukunft – sei es in die Modernisierung der Hotelflotte, den Ausbau des Kreuzfahrtgeschäfts oder die Weiterentwicklung der digitalen Plattformen.

Für Anleger ist die weitere Entwicklung der Verschuldung ein entscheidender Faktor. Nur wenn es TUI gelingt, den Schuldenberg nachhaltig abzutragen und die Bilanz zu stärken, kann das Unternehmen langfristig profitabel wachsen und potenziell auch wieder eine Dividende zahlen.

Merkmal Information (Stand Juni 2025)
WKN / ISIN TUAG00 / DE000TUAG000
CEO Sebastian Ebel
Aktueller Kurs (ca.) 6,55 EUR
Umsatz Q1 2025 4,9 Mrd. EUR (+13 % ggü. Vorjahr)
Bereinigtes EBIT Q1 2025 50,9 Mio. EUR
Wichtigste Gewinntreiber Hotels & Resorts, Kreuzfahrten
Kreditrating (Fitch) BB (stabiler Ausblick)
Performance (10 Jahre) ca. -92 %

Chancen und Potenziale: Wo TUI in Zukunft punkten kann

Die Bullen-These für TUI stützt sich auf mehrere Säulen. Der wichtigste Treiber ist die ungebrochene Reiselust. Nach Jahren der Entbehrungen geben Menschen wieder verstärkt Geld für Urlaub aus, wobei Erlebnisse oft einen höheren Stellenwert als materielle Güter haben. TUI ist mit seiner starken Marke und dem breiten Angebot hervorragend positioniert, um davon zu profitieren.

Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Kreuzfahrt-Segment. Dieses Geschäft ist nicht nur margenstark, sondern verzeichnet auch eine hohe Kundentreue und wachsende Nachfrage, insbesondere in Europa. Die modernen Flotten von TUI Cruises und Hapag-Lloyd Cruises bedienen sowohl das Premium- als auch das Luxussegment.

Gleichzeitig birgt die Digitalisierungsstrategie rund um TUI Musement erhebliches Potenzial. Der Markt für Touren und Aktivitäten ist stark fragmentiert. Mit einer globalen, nutzerfreundlichen Plattform kann TUI hier einen bedeutenden Marktanteil erobern und zusätzliche, margenstarke Umsätze generieren – auch von Kunden, die ihre Reise nicht bei TUI gebucht haben.

Risiken und Fallstricke: Was dem Turnaround im Weg steht

Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die TUI-Aktie ist kein risikoloses Investment. Die Tourismusbranche ist von Natur aus anfällig für externe Schocks. Geopolitische Krisen, Terroranschläge oder neue Gesundheitskrisen können die Nachfrage von heute auf morgen einbrechen lassen.

Auch makroökonomische Faktoren stellen ein Risiko dar. Eine hohe Inflation schmälert das verfügbare Einkommen der Haushalte und könnte dazu führen, dass Urlaubsbudgets gekürzt werden. Gleichzeitig treiben volatile Energiepreise die operativen Kosten von TUI in die Höhe, insbesondere die Kerosinpreise für die Airline und die Treibstoffkosten für die Kreuzfahrtschiffe.

Der intensive Wettbewerb, vor allem durch agile Online-Reiseanbieter (OTAs) wie Booking.com oder Expedia, bleibt eine ständige Herausforderung. Diese reinen Plattformanbieter haben ein schlankeres Kostenmodell und können flexibler auf Markttrends reagieren. TUI muss beweisen, dass die Vorteile des integrierten Modells diese Nachteile überwiegen.

Zuletzt bleibt die Aktie selbst volatil. Wie der jüngste Kursrückgang von über 8 Prozent im Juni 2025 zeigt, reagiert das Papier sehr sensibel auf Nachrichten und allgemeine Marktstimmungen. Anleger benötigen daher starke Nerven.

Fazit: Zwischen Aufbruchstimmung und Restrisiko

Die TUI-Aktie präsentiert sich Mitte 2025 als eine klassische Turnaround-Story. Das Unternehmen hat die existenzielle Krise überwunden und beeindruckende operative Fortschritte erzielt. Die Strategie, sich auf margenstarke Segmente wie Hotels und Kreuzfahrten zu konzentrieren und gleichzeitig das digitale Geschäft auszubauen, scheint aufzugehen. Die Reiselust der Menschen ist der Motor, der dieses Comeback antreibt.

Dennoch ist die Reise noch nicht zu Ende. Der Schuldenberg bleibt eine schwere Last und externe Risiken können den eingeschlagenen Kurs jederzeit gefährden. Die TUI-Aktie ist daher kein Investment für risikoscheue Anleger, die auf Stabilität und sichere Dividenden aus sind. Sie ist vielmehr eine Wette für mutige Investoren, die an die Fortsetzung des erfolgreichen Turnarounds glauben und bereit sind, eine hohe Volatilität in Kauf zu nehmen.

Die Fahrt von der Flaute in Richtung Kreuzfahrt hat begonnen, doch das Schiff befindet sich noch nicht in gänzlich ruhigem Fahrwasser. Ob die Reise zu einem vollen Erfolg wird, steht weiterhin auf dem Prüfstand. Die kommenden Quartalszahlen und der Fortschritt beim Schuldenabbau werden zeigen, ob TUI das Ruder endgültig herumreißen kann.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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