TotalEnergies: Grüne Transformation des Öl- und Gas-Giganten

TotalEnergies vollzieht den Wandel vom Öl-Giganten zum Multi-Energie-Anbieter. Das Unternehmen finanziert seine massive Expansion in Erneuerbare Energien mit den Gewinnen aus dem Kerngeschäft. Eine Analyse der Chancen und Risiken dieser ambitionierten Transformation für Anleger.

Veröffentlicht am 19.06.2025

Der Strategiewechsel: Von der Öl-Supermacht zum Multi-Energie-Anbieter

Die Umbenennung von „Total“ zu „TotalEnergies“ im Jahr 2021 war mehr als nur eine kosmetische Anpassung. Sie war das sichtbare Zeichen einer tiefgreifenden strategischen Neuausrichtung. Die Unternehmensführung unter CEO Patrick Pouyanné hat erkannt, dass die langfristige Lizenz zum Wirtschaften (License to Operate) nicht mehr allein auf der Förderung von Öl und Gas beruhen kann. Der Druck von Politik, Gesellschaft und insbesondere von den Kapitalmärkten, die zunehmend auf ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) achten, erfordert ein glaubwürdiges Bekenntnis zur Energiewende.

Die Kernidee der neuen Strategie ist ein „Multi-Energie“-Ansatz. Anstatt Öl und Gas abrupt den Rücken zu kehren, verfolgt TotalEnergies einen pragmatischen, zweigleisigen Pfad:

  1. Optimierung des Kerngeschäfts: Das Unternehmen konzentriert sich weiterhin auf die profitabelsten und emissionsärmsten Öl- und Gasprojekte. Insbesondere Flüssigerdgas (LNG) wird als entscheidender Brückenbrennstoff angesehen, der Kohle ersetzen und die Versorgungssicherheit während des Übergangs gewährleisten kann. Gleichzeitig werden die Emissionen aus der eigenen Produktion (Scope 1 und 2) drastisch reduziert.
  2. Massiver Ausbau neuer Energien: Parallel dazu investiert der Konzern Milliarden in den Aufbau eines zweiten, grünen Standbeins. Der Fokus liegt hierbei auf der Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Sonne und Wind sowie auf der Entwicklung zukunftsweisender Technologien wie grünem Wasserstoff und Biokraftstoffen.

Dieser balancierte Ansatz soll es dem Unternehmen ermöglichen, die cashflow-starken traditionellen Geschäftsfelder zu nutzen, um die kapitalintensiven Investitionen in die Zukunft zu finanzieren. Stand 19.06.2025 zeigt sich, dass TotalEnergies diesen Weg konsequenter verfolgt als viele seiner Wettbewerber.

Investitionen und Ziele: Wo das Geld hinfließt

Die Ambitionen von TotalEnergies lassen sich am besten an den konkreten Investitionszahlen und Zielen ablesen. Der Konzern hat sich verpflichtet, einen erheblichen Teil seines Budgets in CO2-arme Energien zu lenken. Im Jahr 2024 flossen rund 5 Milliarden US-Dollar direkt in den Bereich Erneuerbare Energien und Strom. Damit positioniert sich das Unternehmen als der investitionsfreudigste Öl-Major in der Energiewende.

Die Ziele sind klar definiert und quantifiziert:

  • Emissionsreduktion: Bis 2030 sollen die direkten Emissionen aus den eigenen Anlagen (Scope 1+2) um mindestens 40 % gegenüber dem Basisjahr 2015 gesenkt werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf Methan, dessen Emissionen bis 2025 um 60 % gegenüber 2020 fallen sollen.
  • Wachstum bei Strom: Die Stromerzeugungskapazität, vor allem aus erneuerbaren Quellen, soll massiv ausgebaut werden. Ziel ist es, bis 2030 eine installierte Leistung von 100 Gigawatt (GW) zu erreichen. Der Anteil der Stromproduktion an der gesamten Energieerzeugung des Konzerns soll von rund 10 % im Jahr 2025 auf fast 20 % bis 2030 steigen.
  • Reduzierung der Kohlenstoffintensität: Über die eigenen Emissionen hinaus zielt TotalEnergies darauf ab, die Kohlenstoffintensität der an Kunden verkauften Energieprodukte über deren gesamten Lebenszyklus zu senken – bis 2030 um 25 % im Vergleich zu 2015.

Ein praktisches Beispiel für diese Strategie ist die Beteiligung am Aufbau einer grünen Wasserstoffwirtschaft. Ab 2025 wird die konzerneigene Raffinerie in Leuna (Deutschland) mit grünem Wasserstoff aus dem nahegelegenen Energiepark Bad Lauchstädt beliefert. Dieses Projekt zeigt, wie der Konzern neue Technologien nicht nur entwickelt, sondern auch direkt in seine bestehenden industriellen Prozesse integriert, um diese zu dekarbonisieren.

Die Perspektive für Anleger: Zwischen hohen Renditen und Transformationsrisiken

Für Investoren stellt sich TotalEnergies als ein komplexes, aber potenziell lohnendes Investment dar. Die Aktie bietet eine einzigartige Mischung aus traditioneller Energie-Value-Story und einer Wachstumsgeschichte im Bereich der erneuerbaren Energien.

Die Chancen (Der Bull Case)

Die Stärken des Unternehmens liegen auf der Hand. TotalEnergies war 2024 einer der profitabelsten Konzerne der Branche, mit einer beeindruckenden Rendite auf das eingesetzte Kapital (ROACE) von 14,8 %. Diese finanzielle Stärke ermöglicht es dem Unternehmen, sowohl die Transformation voranzutreiben als auch attraktive Dividenden an die Aktionäre auszuschütten.

Durch die frühzeitigen und massiven Investitionen in erneuerbare Energien könnte sich TotalEnergies einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil sichern. Der Konzern baut ein globales Portfolio an Solar- und Windparks auf und sammelt wertvolle Erfahrungen in der Entwicklung und dem Betrieb dieser Anlagen. Langfristig könnte dieses integrierte Stromgeschäft, von der Erzeugung über die Speicherung bis zum Vertrieb, zu einer stabilen und wachsenden Einnahmequelle werden, die weniger anfällig für die volatilen Rohstoffpreise ist.

Die Risiken (Der Bear Case)

Die Transformation ist jedoch kein Selbstläufer und birgt erhebliche Risiken. Die Investitionen in grüne Technologien sind enorm und die Renditen in diesem Sektor sind historisch gesehen oft niedriger als im klassischen Öl- und Gasgeschäft. Es besteht die Gefahr, dass der Konzern Milliarden investiert, ohne die erhofften Gewinne zu erzielen, insbesondere wenn der Wettbewerb zunimmt und die Margen unter Druck geraten.

Ein weiteres Risiko ist die öffentliche und politische Wahrnehmung. Trotz aller Fortschritte bleibt TotalEnergies ein Unternehmen, das einen Großteil seiner Gewinne mit fossilen Brennstoffen erzielt. Aktivistische Gruppen und kritische Investoren werfen dem Konzern vor, nicht schnell genug aus Öl und Gas auszusteigen und die Transformation nur als Feigenblatt zu nutzen ("Greenwashing"). Zukünftige, noch strengere Regulierungen oder CO2-Steuern könnten das Kerngeschäft stärker belasten als erwartet.

Zudem ist der Konzern von technologischen Entwicklungen abhängig. Die Skalierung von grünem Wasserstoff oder die Entwicklung effizienter Energiespeicherlösungen sind mit Unsicherheiten behaftet. Fehlschläge in diesen Schlüsselbereichen könnten die gesamte Strategie gefährden.

Fakten im Überblick: TotalEnergies in Zahlen

Kennzahl Wert / Ziel
Investitionen in CO2-arme Energien (2024) ca. 5 Mrd. USD
Ziel Erneuerbare Kapazität (2030) 100 Gigawatt (GW)
Emissionsreduktionsziel Scope 1+2 (bis 2030 vs. 2015) -40 %
Methanreduktionsziel (bis 2025 vs. 2020) -60 %
Rendite auf eingesetztes Kapital (ROACE 2024) 14,8 %
Anteil Strom an der Energieproduktion (Ziel 2030) ca. 20 %

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Fazit: Ein Gigant im Wandel als Blaupause für die Branche?

TotalEnergies steht exemplarisch für die Zerreißprobe, in der sich die gesamte traditionelle Energiewirtschaft befindet. Der Konzern hat sich für einen ambitionierten, aber auch riskanten Mittelweg entschieden: die schrittweise Transformation aus einer Position der finanziellen Stärke heraus. Die Strategie, die Gewinne aus dem alten Kerngeschäft zu nutzen, um die neuen, grünen Geschäftsfelder aufzubauen, erscheint logisch und pragmatisch.

Der Erfolg dieser monumentalen Aufgabe wird von vielen Faktoren abhängen: von der technologischen Entwicklung, der politischen Regulierung und nicht zuletzt von der Fähigkeit des Managements, eine Unternehmenskultur, die über ein Jahrhundert von fossilen Brennstoffen geprägt war, neu auszurichten. Für Anleger bietet TotalEnergies eine spannende Wette auf die Zukunft der Energie. Gelingt die Transformation, könnte das Unternehmen nicht nur seine eigene Zukunft sichern, sondern auch eine Blaupause dafür liefern, wie ein Branchenriese den Übergang ins grüne Zeitalter meistern kann. Der Weg ist noch lang, doch die Richtung, die TotalEnergies eingeschlagen hat, ist unmissverständlich – und für die globalen Energiemärkte von entscheidender Bedeutung.

Die Rolle von LNG: Der finanzielle Motor der Wende

Ein entscheidender, oft unterschätzter Pfeiler der Transformation ist die strategische Fokussierung auf Flüssigerdgas (LNG). Während der öffentliche Fokus auf Solar- und Windenergie liegt, agiert TotalEnergies als einer der weltweit führenden Akteure im LNG-Markt. Dieser Bereich dient nicht nur als wichtige Brückentechnologie, die den globalen Ausstieg aus der Kohleverbrennung unterstützt, sondern ist vor allem ein hochprofitabler Geschäftszweig.

Die aus dem LNG-Handel generierten, robusten Cashflows sind das finanzielle Rückgrat, das die milliardenschweren Investitionen in die erneuerbaren Energien erst ermöglicht. Diese pragmatische Kalkulation sichert die Dividendenfähigkeit und stabilisiert das Unternehmen während des langen und kapitalintensiven Umbaus. Für Anleger ist das LNG-Portfolio daher ein zentraler Faktor für die Bewertung der kurz- bis mittelfristigen Stabilität des Konzerns.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

Haftungsausschluss: Bei allen Inhalten auf Börse.net handelt es sich ausdrücklich nicht um Anlageberatung. Ihre Risikodisposition kann von uns nicht eingeschätzt werden. Der Autor besitzt keines der genannten Wertpapiere. Keiner der Inhalte stellt ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren dar. Falls Sie sich doch zu einem Kauf oder Verkauf entscheiden, handeln Sie immer auf eigenes Risiko.

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