Roboter & Software: Die stillen Gewinner der Automatisierungswelle

Automatisierung ist weniger Science-Fiction als oft gedacht. Sie ist die industrielle Realität, angetrieben von Fachkräftemangel & globalem Wettbewerb. Wir blicken hinter den KI-Hype auf das Fundament der modernen Produktion: Roboter, Software & die oft übersehenen Investmentchancen.

Veröffentlicht am 30.06.2025

Das wahre Gesicht der Automatisierung: Mehr als nur denkende Maschinen

Wenn von Automatisierung die Rede ist, entsteht oft das Bild eines humanoiden Roboters, der eigenständig komplexe Entscheidungen trifft. Die Realität in den Werkshallen und Logistikzentren ist jedoch eine andere. Der Großteil der heutigen Automatisierung basiert auf etablierten, hochspezialisierten Technologien, die seit Jahrzehnten verfeinert werden. Es geht darum, menschliche Arbeitskraft nicht zwingend zu ersetzen, sondern zu ergänzen, zu entlasten und Prozesse zu beschleunigen, die für Menschen monoton, gefährlich oder schlicht unmöglich sind.

Die treibenden Kräfte sind vielfältig:

  1. Der demografische Wandel und Fachkräftemangel: In vielen Industrienationen, allen voran Deutschland und Japan, wird es immer schwieriger, qualifiziertes Personal für Produktions- und Logistikaufgaben zu finden. Roboter und automatisierte Systeme schließen diese Lücke und sichern die Produktionskapazität.
  2. Der globale Wettbewerbsdruck: Unternehmen müssen schneller, günstiger und in höherer Qualität produzieren. Automatisierung ist kein Luxus mehr, sondern eine Notwendigkeit, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dies zeigt sich auch im Wettlauf um die höchste Roboterdichte, bei dem China Deutschland mittlerweile überholt hat.
  3. Resilienz der Lieferketten: Die Krisen der letzten Jahre haben die Anfälligkeit globaler Lieferketten offengelegt. Mit automatisierten, lokalen Produktionsstätten (Stichwort: Reshoring) können Unternehmen ihre Abhängigkeit von einzelnen Weltregionen verringern.
  4. Qualitätssteigerung und Effizienz: Ein Roboterarm schweißt, lackiert oder montiert mit einer Präzision und Wiederholgenauigkeit, die ein Mensch auf Dauer nicht leisten kann. Dies reduziert Fehlerquoten, minimiert Materialverschwendung und steigert den Output.

Die Automobilindustrie gilt traditionell als Vorreiter, doch längst haben andere Branchen nachgezogen. In der Logistik sortieren und transportieren Roboter Pakete mit atemberaubender Geschwindigkeit. In der Lebensmittelindustrie verpacken und palettieren sie Waren unter strengsten Hygienevorschriften. Und in der Elektronikfertigung bestücken sie Platinen mit mikroskopisch kleinen Bauteilen. All das geschieht meist ohne den Einsatz generativer KI, sondern mit Hilfe von präziser Sensorik, programmierter Logik und robuster Mechanik.

Die Hardware: Roboter, Cobots und das physische Rückgrat

Das sichtbarste Element der Automatisierung ist die Hardware. Hier hat sich eine klare Differenzierung herausgebildet. Auf der einen Seite stehen die klassischen Industrieroboter: große, schwere Maschinen, die für maximale Kraft und Geschwindigkeit ausgelegt sind und aus Sicherheitsgründen meist hinter Schutzzäunen arbeiten. Führende Hersteller wie KUKA (heute in chinesischer Hand), Fanuc aus Japan oder ABB aus der Schweiz dominieren diesen Markt seit Jahrzehnten.

Auf der anderen Seite gewinnen sogenannte Cobots (Collaborative Robots) rasant an Bedeutung. Diese kleineren, flexibleren Roboterarme sind darauf ausgelegt, direkt mit Menschen zusammenzuarbeiten. Dank integrierter Sensoren stoppen sie bei Berührung und können für wechselnde Aufgaben schnell umprogrammiert werden. Sie senken die Einstiegshürden für die Automatisierung erheblich und sind besonders für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) attraktiv. Firmen wie Universal Robots (Teil von Teradyne) haben hier eine Pionierrolle eingenommen.

Für Anleger ist dieser Sektor jedoch kein Selbstläufer. Die Branche ist zyklisch und stark von der allgemeinen Konjunktur und der Investitionsbereitschaft der Industrie abhängig. So erwartet die deutsche Robotik- und Automationsbranche für das Jahr 2025 einen Umsatzrückgang, was die Abhängigkeit von Schlüsselindustrien wie dem Automobilsektor unterstreicht. Ein Investment erfordert daher einen langen Atem und ein Verständnis für diese Zyklen. Der wahre Wert liegt oft nicht nur im Verkauf der Roboter selbst, sondern im Service, der Wartung und der Lieferung von Peripheriegeräten wie Greifsystemen oder Sensoren.

Die Software: Das unsichtbare Gehirn der Produktion

Noch stiller, aber oft profitabler, ist das Geschäft mit der Software, die diese Roboter und Anlagen steuert. Ein Roboterarm ist ohne sein Betriebssystem und seine Anwendungssoftware nur ein Stück totes Metall. Die eigentliche Intelligenz und der Wert für den Kunden stecken in den Steuerungssystemen, die eine nahtlose Integration in den gesamten Produktionsprozess ermöglichen.

Hier dominieren spezialisierte Softwarekategorien, die für Anleger von besonderem Interesse sind:

  • SPS (Speicherprogrammierbare Steuerungen): Dies sind die robusten "Arbeitspferde" der Automatisierung. Sie steuern einzelne Maschinen oder Anlagenteile in Echtzeit. Unternehmen wie Siemens oder Rockwell Automation sind hier marktführend.
  • MES (Manufacturing Execution Systems): Diese Softwareschicht liegt über der Maschinensteuerung. Sie plant, steuert und überwacht den gesamten Produktionsprozess, erfasst Betriebsdaten und sorgt für eine lückenlose Rückverfolgbarkeit. Firmen wie SAP oder Dassault Systèmes bieten hier komplexe Lösungen an.
  • SCADA (Supervisory Control and Data Acquisition): Diese Systeme dienen der Überwachung und Steuerung von weit verteilten technischen Prozessen, wie man sie in der Energieversorgung, in Wasserwerken oder in der Verkehrsleittechnik findet.

Der entscheidende Vorteil dieser Software-Unternehmen liegt in ihrem Geschäftsmodell. Einmal in einem Werk implementiert, sind diese Systeme tief in die Abläufe integriert. Ein Wechsel des Anbieters ist extrem kostspielig und riskant. Dies führt zu hohen wiederkehrenden Einnahmen durch Lizenzen, Wartungsverträge und Updates – ein klassischer "Burggraben", den Investoren schätzen. Diese Software sammelt zudem die Daten, die in einem nächsten Schritt – dann tatsächlich mit KI – analysiert werden können, um Prozesse weiter zu optimieren (Predictive Maintenance). Die Softwareanbieter sitzen also an der Quelle des zukünftigen Wachstums.

Die Investitionsthese: Wo Anleger jenseits des Hypes fündig werden

Wie können Privatanleger von diesem Trend profitieren? Statt auf die hoch bewerteten und volatilen KI-Aktien zu setzen, kann eine Diversifizierung in die "Wegbereiter" der Automatisierung sinnvoll sein. Die Strategie beruht darauf, in die "Schaufelhersteller" des Goldrausches zu investieren.

Ein potenzielles Investment in diesem Sektor zeichnet sich oft durch folgende Merkmale aus:

  1. Etablierte Marktposition: Das Unternehmen ist ein führender Anbieter in einer spezifischen Nische (z.B. Industriesensoren, spezielle Greifsysteme, Steuerungssoftware).
  2. Hohe Kundenbindung: Die Produkte sind kritisch für den Betrieb des Kunden und schaffen hohe Wechselkosten.
  3. Stabile, wiederkehrende Umsätze: Ein signifikanter Teil des Umsatzes stammt aus Service, Wartung und Softwarelizenzen.
  4. Geringere Hype-Anfälligkeit: Die Bewertung ist oft moderater als bei reinen Tech- oder KI-Werten, da das Wachstum stabiler und berechenbarer ist.

Natürlich ist auch dieses Feld nicht frei von Risiken. Die bereits erwähnte Zyklizität, der intensive Wettbewerb, insbesondere aus Asien, und die Notwendigkeit hoher Investitionen in Forschung und Entwicklung sind ernstzunehmende Faktoren. Zudem stellt die zunehmende Vernetzung von Produktionsanlagen (Industrie 4.0) hohe Anforderungen an die Cybersicherheit, was ein ständiges Investitionsfeld darstellt.

Fakt Beschreibung
Roboterdichte China (470 Roboter pro 10.000 Arbeiter) hat Deutschland (429) bei der Roboterdichte im produzierenden Gewerbe überholt. Deutschland liegt weltweit auf Platz 4.
Marktprognose Deutschland Für 2025 wird ein Umsatzrückgang von ca. 10 % in der deutschen Robotik- und Automationsbranche auf 14,5 Mrd. Euro erwartet.
Schlüsselindustrien Die Automobilindustrie bleibt der größte Abnehmer, gefolgt von der Logistik, Elektronikfertigung und der Lebensmittelindustrie.
Akzeptanz am Arbeitsplatz Über 77 % der Deutschen befürworten den Einsatz von Robotern, insbesondere für gefährliche, monotone oder körperlich schwere Tätigkeiten.
Cobots vs. Industrieroboter Cobots sind für die Zusammenarbeit mit Menschen konzipiert und ideal für KMU, während klassische Industrieroboter auf maximale Leistung in abgeschirmten Bereichen ausgelegt sind.
Essenzielle Software SPS (Maschinensteuerung), MES (Prozesssteuerung) und SCADA (Anlagenüberwachung) bilden das Software-Rückgrat der Automatisierung, oft unabhängig von KI.

Fazit: Substanz statt Spekulation

Die Welt der Automatisierung ist komplex und vielschichtig. Während Künstliche Intelligenz zweifellos die nächste Stufe der technologischen Entwicklung einläuten wird, findet die eigentliche, greifbare Transformation bereits heute statt – mit Robotern, die schweißen, und Software, die steuert. Für Anleger, die bereit sind, über den Tellerrand der täglichen Tech-Schlagzeilen hinauszuschauen, eröffnet sich hier ein Feld voller robuster Geschäftsmodelle und langfristiger Wachstumschancen.

Die stillen Gewinner der Automatisierungswelle sind oft nicht diejenigen mit den lautesten Ankündigungen, sondern jene Unternehmen, die das unverzichtbare Fundament für die Industrie der Zukunft legen. Sie mögen weniger im Rampenlicht stehen, doch ihre Technologien sind es, die dafür sorgen, dass die Räder der Weltwirtschaft sich auch morgen noch drehen – immer präziser, effizienter und zuverlässiger. Ein Investment in diese Substanz könnte sich als deutlich nachhaltiger erweisen als die Jagd nach dem nächsten kurzfristigen Hype.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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