Raiffeisen Bank International: Wachstumsmärkte im Spannungsfeld zwischen Ost un

Die RBI im Spagat: Das profitable, aber toxische Russland-Geschäft belastet die Bank. Doch abseits der Schlagzeilen punktet sie mit einem starken Kerngeschäft in Osteuropa und solider Kapitalbasis. Eine Analyse zwischen hohem Risiko und übersehenem Potenzial.

Veröffentlicht am 25.06.2025

Das Russland-Dilemma: Zwischen Profit und Parias

Das Russland-Geschäft war lange Zeit eine der ertragreichsten Säulen im Portfolio der RBI. Doch was einst als strategischer Coup galt, ist heute die größte Belastung. Die Bankführung hat den Druck aus Politik und Finanzaufsicht erkannt und arbeitet mit Hochdruck an einem geordneten Rückzug. Die Zahlen aus dem ersten Quartal 2025 belegen diesen Kurs: Das Kreditvolumen in Russland wurde gegenüber dem Vorquartal um vier Prozent reduziert, die Kundeneinlagen sanken im gleichen Zeitraum sogar um neun Prozent.

Dennoch entfaltet sich hier ein paradoxes Bild. Trotz des schrittweisen Abbaus bleibt die russische Tochtergesellschaft ein bedeutender Gewinnbringer. Der Grund liegt in der überschüssigen Liquidität, die die Bank bei der russischen Zentralbank zu einem außergewöhnlich hohen Zinssatz von 21 Prozent anlegen kann. Diese Zinserträge machen rund 70 Prozent des Nettozinsertrags der Russland-Tochter aus. Es ist ein goldener Käfig, der den Ausstieg finanziell schmerzhaft, aber strategisch alternativlos macht.

Der Verkauf oder die Abspaltung der russischen Einheit erweist sich als äußerst komplex. Potentielle Käufer sind rar, und das regulatorische Umfeld ist ein Minenfeld. Westliche Sanktionen und russische Gegensanktionen schränken die Optionen drastisch ein. Die RBI steht unter ständiger Beobachtung der Europäischen Zentralbank (EZB) und amerikanischer Behörden, die auf einen schnellen und vollständigen Exit drängen. Jede Verzögerung schadet der Reputation und birgt das Risiko weiterer Sanktionen.

Stabilität im Kerngeschäft: Die wahren Wachstumsmotoren

Während die Schlagzeilen vom Russland-Geschäft dominiert werden, wird die eigentliche Stärke der RBI oft übersehen: ihr robustes und profitables Kerngeschäft in Zentral- und Osteuropa. Abseits von Russland und Belarus erwirtschaftete der Konzern im ersten Quartal 2025 einen soliden Gewinn von 260 Millionen Euro. Der Nettozinsertrag im Kerngeschäft blieb mit 1,046 Milliarden Euro trotz eines europaweit sinkenden Zinsniveaus stabil.

Diese Zahlen zeigen, dass die operativen Wachstumsmotoren der Bank auf Hochtouren laufen. Märkte wie Tschechien, die Slowakei, Ungarn und insbesondere Rumänien erweisen sich als Anker der Stabilität und des Wachstums. Rumänien sticht dabei als Paradebeispiel hervor. Im ersten Quartal 2025 konnte die dortige Raiffeisen Bank die Zahl der Neukunden im Vergleich zum Vorjahr um beeindruckende 35 Prozent steigern. Auch das Leasing-Portfolio wuchs um gesunde vier Prozent.

Ein wesentlicher Treiber dieses Erfolgs ist die konsequente Digitalisierungsstrategie. Die RBI investiert massiv in benutzerfreundliche digitale Produkte, die den Nerv der Zeit treffen. Beispiele hierfür sind:

  1. Digitale Kundenakquise: Ein vollständig digitaler Anmeldeprozess für Produkte wie freiwillige Pensionsfonds senkt die Hürden für Neukunden erheblich.
  2. Mobile-Banking-Innovation: Kontinuierliche Erweiterungen der Banking-Apps mit neuen Funktionen stärken die Kundenbindung und erhöhen die Interaktionsrate.
  3. Effizienzsteigerung: Automatisierte Prozesse im Hintergrund senken die Kosten und ermöglichen eine schnellere Bearbeitung von Kundenanliegen.

Diese Fokussierung auf digitale Exzellenz macht die RBI in ihren Kernmärkten zu einem wettbewerbsfähigen und zukunftsorientierten Finanzpartner, der weit mehr ist als nur sein Russland-Engagement.

Fundament aus Stahl: Kapital und Risikomanagement

In unsicheren Zeiten ist die finanzielle Stabilität einer Bank das höchste Gut. Hier kann die RBI punkten und Anlegern ein hohes Maß an Sicherheit bieten. Die harte Kernkapitalquote (CET1 Ratio), der wichtigste Indikator für die Krisenfestigkeit einer Bank, lag zum Ende des ersten Quartals 2025 bei beeindruckenden 18,8 Prozent für die gesamte Gruppe. Selbst wenn man das Russland-Geschäft herausrechnet, verbleibt eine sehr solide Quote von 15,9 Prozent. Diese Werte liegen deutlich über den regulatorischen Anforderungen und schaffen ein komfortables Polster, um unvorhergesehene Schocks abzufedern.

Zusätzlich betreibt die Bank ein vorausschauendes Risikomanagement. Neben den regulären Risikovorsorgen hat die RBI sogenannte Overlays in Höhe von 71 Millionen Euro gebildet. Diese zusätzlichen Rückstellungen dienen explizit dazu, potenzielle Risiken aus der geopolitisch angespannten Lage in Osteuropa abzudecken. Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass das Management die Risiken nicht nur erkennt, sondern proaktiv handelt.

Diese robuste Aufstellung fand jüngst auch Anerkennung von externer Seite. Die renommierte Ratingagentur S&P Global Ratings hat den Ausblick für das Rating der RBI von „negativ“ auf „stabil“ angehoben und die Note „A-“ bestätigt. Als Begründung nannten die Analysten explizit den fortgeschrittenen Rückzug aus Russland, den bereits vollzogenen Ausstieg aus Belarus und die gestärkte Compliance-Struktur. Für Investoren ist dieses Upgrade ein starkes Signal, dass die strategischen Maßnahmen zur Risikoreduktion greifen und von unabhängigen Experten positiv bewertet werden.

Kennzahl Wert (Stand Q1 2025)
Harte Kernkapitalquote (CET1, Konzern) 18,8 %
Harte Kernkapitalquote (CET1, ohne Russland) 15,9 %
Konzernergebnis (ohne Russland & Belarus) 260 Mio. €
Nettozinsertrag (Kerngeschäft) 1,046 Mrd. €
S&P Rating (Ausblick) A- (Stabil)
Wichtigste Wachstumsmärkte Rumänien, Tschechien, Slowakei, Ungarn
Status Russlandgeschäft Fortlaufende Reduktion, Verkauf/Abspaltung angestrebt
Strategischer Fokus Digitalisierung, Wachstum in CEE, Risikominimierung

Geopolitische Fallstricke und rechtliche Hürden

Trotz der positiven Entwicklungen im Kerngeschäft und der starken Kapitalbasis bleiben erhebliche Risiken bestehen. Die geopolitische Lage in Osteuropa ist fragil und kann sich jederzeit zuspitzen. Ein direkter Fallstrick ist der sogenannte Rasperia-Fall in Russland. Hier hatte ein Gericht Vermögenswerte der RBI eingefroren. Obwohl ein Berufungsgericht im April 2025 das Urteil bestätigte, betont die Bank, dass daraus keine weiteren Belastungen für die Gewinn- und Verlustrechnung entstehen. Dennoch illustriert der Fall die rechtliche Unsicherheit und die Willkür, der westliche Unternehmen in Russland ausgesetzt sind.

Die größte Unsicherheit bleibt jedoch der Druck durch die westlichen Aufsichtsbehörden. Insbesondere das US-Finanzministerium hat die RBI wiederholt zur Rede gestellt. Die Androhung von Sekundärsanktionen ist ein Damoklesschwert, das über der Bank schwebt und den Aktienkurs volatil hält. Jede negative Schlagzeile kann zu kurzfristigen Kursverlusten führen, unabhängig von der operativen Performance im Kerngeschäft.

Die Perspektive für Anleger: Chance oder va banque?

Die Analyse der RBI führt zu einer differenzierten Bewertung, die sowohl klare Chancen als auch deutliche Risiken aufzeigt.

Die Pluspunkte:

  • Hohe Profitabilität: Das Kerngeschäft in den CEE-Märkten ist hochrentabel und wächst stabil.
  • Starke Kapitalisierung: Die CET1-Quote bietet ein dickes Sicherheitspolster gegen Krisen.
  • Bewiesene Resilienz: Die Bank hat bewiesen, dass sie auch in einem extrem schwierigen Umfeld operativ erfolgreich sein kann.
  • Positive Neubewertung: Das S&P-Ratingupgrade bestätigt die Wirksamkeit der De-Risking-Strategie.
  • Bewertungspotenzial: Gelingt der Ausstieg aus Russland, könnte der aktuelle Bewertungsabschlag der Aktie weichen und zu deutlichen Kursgewinnen führen.

Die Minuspunkte:

  • Der Russland-Faktor: Solange der Exit nicht vollzogen ist, bleibt er die größte Belastung und Quelle der Unsicherheit.
  • Geopolitisches Risiko: Die Lage in Osteuropa bleibt unberechenbar und kann die Geschäftstätigkeit jederzeit beeinflussen.
  • Regulatorischer Druck: Die strenge Beobachtung durch EZB und US-Behörden schränkt den Handlungsspielraum ein und birgt Sanktionsrisiken.

Ein Investment in die RBI ist somit keine Wette auf das Russland-Geschäft, sondern eine auf die Fähigkeit des Managements, dieses Kapitel geordnet zu schließen und gleichzeitig das Potenzial der dynamischen CEE-Märkte voll auszuschöpfen. Der Erfolg hängt von der exakten Umsetzung der angekündigten Strategie ab.

Fazit: Ein Balanceakt mit klarem Kurs

Die Raiffeisen Bank International vollzieht derzeit einen der schwierigsten Balanceakte in der europäischen Bankengeschichte. Sie muss sich aus einem ehemals lukrativen, aber nun toxischen Markt zurückziehen und gleichzeitig ihr wachstumsstarkes Kerngeschäft vorantreiben. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass dieser Spagat gelingen kann. Die Bank ist finanziell robust, strategisch klar ausgerichtet und in ihren Kernmärkten hervorragend positioniert.

Für Anleger bedeutet dies, dass die RBI weit mehr ist als nur ihr Russland-Problem. Sie ist ein widerstandsfähiger Finanzdienstleister mit einem starken Fundament in den vielversprechendsten Wirtschaftsräumen Europas. Der Weg zur vollständigen Normalisierung ist noch weit und mit Risiken gepflastert, doch der eingeschlagene Kurs ist klar erkennbar. Die entscheidende Frage wird sein, wie schnell und sauber der endgültige Schnitt mit Russland gelingt. Wer an die wirtschaftliche Zukunft Zentral- und Osteuropas glaubt und bereit ist, die geopolitische Volatilität auszusitzen, findet in der RBI eine komplexe, aber potenziell lohnende Investmentgeschichte.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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