Oracle Aktie: KI-Betreiber der nächsten Generation?

Lange als Datenbank-Dino belächelt, positioniert sich Oracle heimlich als zentraler Akteur im KI-Rennen. Die Strategie: Statt Daten zu verschieben, bringt Oracle die KI direkt zu den größten Datenschätzen der Welt – mit überraschendem Erfolg.

Veröffentlicht am 23.06.2025

Vom Datenbank-Dino zum KI-Visionär: Oracles stille Transformation

Um Oracles Rolle im KI-Wettlauf zu verstehen, muss man seine Wurzeln betrachten. Das Kerngeschäft des Unternehmens war und ist die Verwaltung von Daten. Die Oracle Database ist das Herzstück unzähliger globaler Konzerne, Regierungen und Finanzinstitute. Über Jahrzehnte wurden hier die kritischsten Informationen der Weltwirtschaft gespeichert und verarbeitet. Genau dieser Datenschatz, der oft als „Daten-Gravitation“ bezeichnet wird, ist heute Oracles größtes Pfund im KI-Zeitalter.

Die grundlegende These von CEO Safra Catz und Gründer Larry Ellison ist einfach, aber wirkungsvoll: Anstatt riesige Datenmengen aufwendig und unsicher zu neuen KI-Plattformen zu verschieben, bringt Oracle die KI direkt zu den Daten. Diese Strategie zielt darauf ab, die Latenz zu minimieren, die Sicherheit zu maximieren und die Kosten zu senken. Anstatt also nur ein weiterer Anbieter von KI-Modellen zu sein, positioniert sich Oracle als die fundamentale Infrastruktur, auf der Unternehmen ihre eigenen KI-gestützten Anwendungen sicher und effizient betreiben können.

Diese Transformation manifestiert sich in zwei Kernbereichen: der massiven Aufrüstung der eigenen Cloud-Infrastruktur und der tiefen Integration von KI-Funktionen in das gesamte Produktportfolio, von Datenbanken bis hin zu Unternehmensanwendungen wie ERP (Enterprise Resource Planning) und HCM (Human Capital Management).

Das Herzstück der Strategie: Oracle Cloud Infrastructure (OCI)

Die Oracle Cloud Infrastructure, kurz OCI, ist das Fundament von Oracles KI-Ambitionen. Während OCI im allgemeinen Cloud-Marktanteil noch hinter den großen drei (AWS, Azure, Google Cloud) zurückliegt, hat sich Oracle eine Nische mit enormem Potenzial erobert: High-Performance-Computing für KI-Workloads. OCI wurde von Grund auf für anspruchsvolle Unternehmensanwendungen konzipiert und bietet eine Architektur, die sich besonders gut für das Training und den Betrieb großer KI-Modelle eignet.

Ein entscheidender Vorteil ist die Netzwerkarchitektur. Oracle wirbt mit einer schnelleren und kostengünstigeren Vernetzung von GPU-Clustern (Graphics Processing Unit), die für das Training von KI-Modellen unerlässlich sind. In Partnerschaft mit NVIDIA kann Oracle seinen Kunden Zugang zu den neuesten und leistungsfähigsten Chips bieten. Dies hat dazu geführt, dass eine wachsende Zahl von aufstrebenden KI-Unternehmen ihre Modelle auf OCI trainieren.

Darüber hinaus verfolgt Oracle eine geschickte Multicloud-Strategie. Mit „Oracle Database@Azure“ können Kunden beispielsweise Oracle-Datenbankdienste direkt innerhalb von Microsofts Azure-Rechenzentren betreiben. Dies senkt die Hürden für Unternehmen, die bereits stark in andere Cloud-Ökosysteme investiert haben, aber dennoch die überlegene Datenbanktechnologie von Oracle nutzen möchten. Dieser pragmatische Ansatz unterscheidet Oracle von seinen Konkurrenten und erweitert seinen potenziellen Kundenkreis erheblich.

Konkrete KI-Produkte und strategische Partnerschaften

Oracle belässt es nicht bei der reinen Infrastruktur. Das Unternehmen hat eine Reihe von KI-Diensten eingeführt, die direkt in seine Plattform integriert sind.

  1. OCI Generative AI Service: Dieser Dienst bietet Unternehmen Zugang zu vortrainierten, großen Sprachmodellen (LLMs) von führenden Anbietern wie Cohere und ermöglicht es ihnen, diese Modelle mit ihren eigenen Unternehmensdaten anzupassen und sicher zu betreiben.
  2. AI Vector Search in der Oracle Database 23c: Diese Funktion ist ein Meilenstein. Sie ermöglicht es, unstrukturierte Daten wie Texte und Bilder direkt in der Datenbank zu durchsuchen und für KI-Anwendungen zu nutzen. Ein Unternehmen kann so beispielsweise einen Chatbot entwickeln, der seine gesamte interne Wissensdatenbank versteht, ohne die Daten aus der sicheren Oracle-Umgebung extrahieren zu müssen.
  3. Eingebettete KI in Anwendungen: Oracle integriert generative KI in seine gesamte Suite von Cloud-Anwendungen (Fusion, NetSuite). Das reicht von der automatischen Erstellung von Jobbeschreibungen im Personalwesen bis hin zur Generierung von Marketingtexten oder der Optimierung von Lieferketten.

Der wohl größte Coup für Oracles KI-Glaubwürdigkeit war die im letzten Jahr bekannt gegebene Partnerschaft mit xAI, dem KI-Unternehmen von Elon Musk. xAI hat sich für OCI entschieden, um sein fortschrittliches Modell „Grok“ zu trainieren und zu betreiben. Dieser Deal ist eine massive Bestätigung für die Leistungsfähigkeit von Oracles Infrastruktur und hat dem Unternehmen eine immense Aufmerksamkeit im KI-Sektor verschafft. Weitere Partnerschaften, wie die im Juni 2025 gestartete „Defense Ecosystem“-Initiative, zeigen zudem den Fokus auf hochspezialisierte und lukrative Branchen wie den Verteidigungssektor.

Die Oracle Aktie im Fokus: Chancen und Risiken für Anleger

Für Investoren stellt sich die Frage, ob diese strategische Neuausrichtung nachhaltiges Wachstum für die Aktie generieren kann. Es gibt überzeugende Argumente dafür, aber auch nicht zu vernachlässigende Risiken.

Chancen:

  • Gigantischer Kundenstamm: Oracle hat jahrzehntelange Beziehungen zu den größten Unternehmen der Welt. Diesen Bestandskunden können nun KI-Dienste als Add-on verkauft werden, was zu erheblichen Cross- und Upselling-Potenzialen führt.
  • Daten-Gravitation als Burggraben: Die Migration kritischer Datenbanken ist extrem kostspielig und riskant. Viele Unternehmen werden es vorziehen, KI-Funktionen dort zu nutzen, wo ihre Daten bereits liegen – bei Oracle.
  • Wachsende Cloud-Dynamik: Die Umsätze im Cloud-Geschäft, insbesondere im Infrastrukturbereich (IaaS), wachsen rasant und übertreffen die Erwartungen. Die hohen gemeldeten Remaining Performance Obligations (RPOs) deuten auf eine starke zukünftige Nachfrage hin.
  • Hohe Profitabilität: Im Gegensatz zu vielen reinen Wachstumsunternehmen ist Oracle hochprofitabel und generiert einen starken Cashflow, der Investitionen in neue Technologien und Aktienrückkäufe ermöglicht.

Risiken:

  • Intensiver Wettbewerb: Amazon, Microsoft und Google dominieren den Cloud-Markt und investieren ebenfalls massiv in KI. Oracle muss beweisen, dass seine Nischenstrategie ausreicht, um sich langfristig zu behaupten.
  • Marktwahrnehmung: Trotz der jüngsten Erfolge kämpft Oracle immer noch mit dem Image eines teuren und wenig flexiblen Altanbieters. Ein Wandel dieser Wahrnehmung ist entscheidend für die Gewinnung neuer Kunden.
  • Bewertung der Aktie: Die Oracle-Aktie hat durch den KI-Hype bereits stark an Wert gewonnen. Ein Teil der positiven Zukunftsaussichten könnte bereits im aktuellen Kurs eingepreist sein, was das kurzfristige Aufwärtspotenzial begrenzt.
  • Abhängigkeit von Großkunden: Ein erheblicher Teil der neuen Cloud-Verträge entfällt auf wenige sehr große Kunden. Sollte einer dieser Deals platzen oder sich verzögern, könnte dies die Wachstumsstory dämpfen.

Faktentabelle zur Oracle Corporation

Merkmal Information
Ticker-Symbol ORCL
ISIN US68389X1054
Hauptsitz Austin, Texas, USA
Gründungsjahr 1977
CEO Safra A. Catz
Executive Chairman & CTO Larry Ellison
Kerngeschäft Datenbanksoftware, Cloud-Infrastruktur (OCI), Unternehmensanwendungen (ERP, HCM, CX)
Wichtige KI-Partner NVIDIA, xAI, Cohere, Microsoft (für Multicloud)
Hauptkonkurrenten Microsoft (Azure), Amazon (AWS), Google (GCP), SAP, Salesforce

Fazit: Ein neuer Gigant im KI-Zeitalter?

Die Frage, ob Oracle ein KI-Betreiber der nächsten Generation ist, lässt sich heute mit einem vorsichtigen, aber zunehmend selbstbewussten „Ja“ beantworten. Der Konzern hat seine immense Stärke im Datenmanagement erfolgreich als Sprungbrett in die KI-Ära genutzt. Die Strategie, die KI zu den Daten zu bringen, ist nicht nur technisch elegant, sondern auch wirtschaftlich äußerst sinnvoll.

Oracle hat bewiesen, dass es in der Lage ist, eine hochleistungsfähige Cloud-Infrastruktur aufzubauen, die selbst für die anspruchsvollsten KI-Unternehmen wie xAI attraktiv ist. Die tiefe Integration von KI-Funktionen in das bestehende Produktportfolio schafft einen klaren Mehrwert für den riesigen Bestandskundenstamm und senkt die Einstiegshürden für die Implementierung von KI im Unternehmensalltag.

Für Anleger ist Oracle zu einer faszinierenden Wette auf die Enterprise-KI geworden. Während die Konkurrenz durch die Hyperscaler gewaltig bleibt und die Aktie nicht mehr billig ist, hat Oracle einen klaren und differenzierten Weg eingeschlagen. Die Transformation vom Datenbank-Dino zum unverzichtbaren KI-Enabler ist in vollem Gange. Der Erfolg wird letztlich davon abhängen, ob es dem Unternehmen gelingt, die aktuelle Dynamik aufrechtzuerhalten und den technologischen Vorsprung in seiner Nische weiter auszubauen. Die kommenden Quartalsberichte werden zeigen, ob der beeindruckende Anstieg der Cloud-Buchungen ein nachhaltiger Trend ist. Wenn ja, könnte die Oracle-Aktie auch in Zukunft eine lohnende Investition für diejenigen sein, die an die nächste Welle der KI-Revolution glauben – die der unternehmensweiten Implementierung.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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