Was genau ist die "New Space Economy"?
Der Begriff "New Space Economy" beschreibt den fundamentalen Wandel der Raumfahrtindustrie von einem staatlich dominierten Sektor hin zu einem kommerziellen Markt, der von privaten Investitionen und unternehmerischer Innovation angetrieben wird. Während die "Old Space"-Ära des Kalten Krieges durch gigantische Budgets, nationale Interessen und prestigeträchtige, aber oft einmalige Missionen wie die Mondlandung geprägt war, stehen heute Effizienz, Skalierbarkeit und Rentabilität im Vordergrund.
Drei Faktoren sind für diese Revolution entscheidend:
- Kostensenkung: Die Entwicklung wiederverwendbarer Trägerraketen, allen voran die Falcon-9-Rakete von SpaceX, hat die Kosten für den Transport von Nutzlast in den Orbit dramatisch reduziert. Kostete ein Kilogramm Nutzlast früher Zehntausende von Dollar, sind die Preise auf wenige Tausend Dollar gefallen – mit weiter fallender Tendenz.
- Miniaturisierung: Moderne Satelliten sind oft nicht größer als ein Schuhkarton (sogenannte CubeSats) und dennoch leistungsfähiger als ihre tonnenschweren Vorgänger. Dies ermöglicht den Aufbau riesiger Satellitennetzwerke zu einem Bruchteil der früheren Kosten.
- Privates Kapital: Angelockt von den enormen Wachstumsprognosen fließen Milliarden von Dollar an Risikokapital in die Branche. Allein im Jahr 2024 beliefen sich die Venture-Capital-Investitionen auf rund 14,5 Milliarden US-Dollar. Analysten von Morgan Stanley und der Bank of America prognostizieren, dass das Marktvolumen der Raumfahrtwirtschaft von heute rund 550 Milliarden US-Dollar bis 2040 auf über eine Billion US-Dollar anwachsen könnte.
Satelliten: Das Rückgrat der kommerziellen Raumfahrt
Während visionäre Projekte wie bemannte Mars-Missionen die Schlagzeilen beherrschen, wird das meiste Geld heute und in naher Zukunft in der Erdumlaufbahn verdient. Satelliten sind das Arbeitspferd der New Space Economy und bilden die Grundlage für eine Vielzahl von Dienstleistungen, die unser tägliches Leben bereits jetzt beeinflussen.
Die größten Wachstumstreiber im Satellitengeschäft sind:
- Satellitenkommunikation: Projekte wie Starlink von SpaceX, OneWeb oder das Kuiper-Projekt von Amazon bauen sogenannte Megakonstellationen mit Tausenden von Satelliten im niedrigen Erdorbit auf. Ihr Ziel ist es, schnelles Internet in entlegene Regionen der Welt zu bringen, wo terrestrische Infrastruktur fehlt. Dies eröffnet einen gigantischen Markt und ist bereits heute ein profitables Geschäftsfeld.
- Erdbeobachtung: Hochauflösende Bilder und Daten aus dem All sind für unzählige Branchen von unschätzbarem Wert. Landwirte nutzen sie zur Optimierung ihrer Ernten, Versicherungen zur Einschätzung von Schäden nach Naturkatastrophen, Rohstoffkonzerne zur Erkundung neuer Vorkommen und Wissenschaftler zur Überwachung des Klimawandels. Unternehmen wie Planet Labs oder Maxar Technologies sind hier führend.
- Navigation und Positionierung: Dienste wie GPS (USA), Galileo (EU) oder BeiDou (China) sind aus Logistik, Verkehr und dem Alltag nicht mehr wegzudenken und bilden die Basis für autonome Fahrzeuge und Drohnenlieferungen der Zukunft.
Für Anleger ist der Satellitensektor der zugänglichste und etablierteste Bereich der Raumfahrt. Hier gibt es bereits Unternehmen mit nachgewiesenen Geschäftsmodellen und stetigen Einnahmequellen.
Jenseits des Orbits: Mond, Mars und Weltraumtourismus
Die langfristigen und potenziell disruptivsten Chancen liegen jenseits der Erdumlaufbahn. Diese Investitionen sind spekulativer und erfordern einen langen Atem, versprechen aber im Erfolgsfall exponentielle Renditen.
Mond- und Mars-Missionen: Die Vision von Elon Musk, die Menschheit zu einer multiplanetaren Spezies zu machen, ist mehr als nur Science-Fiction. Sie ist der Antrieb für die Entwicklung des Starship, der größten Rakete, die je gebaut wurde. Während bemannte Mars-Missionen noch in den 2030er-Jahren liegen dürften, ist der Mond bereits in greifbarer Nähe. Im Rahmen des NASA-Artemis-Programms arbeiten private Unternehmen an Mondlandefähren und der Infrastruktur für eine dauerhafte Präsenz. Langfristig lockt der Abbau von Ressourcen wie Wasser-Eis (zur Herstellung von Raketentreibstoff im All) oder Helium-3, einem potenziellen Brennstoff für die Kernfusion.
Weltraumtourismus: Unternehmen wie Virgin Galactic und Blue Origin haben bereits die ersten suborbitalen Flüge für zahlende Kunden durchgeführt. Auch wenn dies aktuell ein Nischenmarkt für Superreiche ist, dient er als wichtiger Technologietreiber und Katalysator für die öffentliche Faszination. Die Entwicklung kommerzieller Raumstationen, wie sie von Axiom Space oder VAST geplant werden, könnte den Tourismus in den Orbit in den kommenden zehn Jahren für ein breiteres (aber immer noch sehr wohlhabendes) Publikum öffnen.
Wie können Anleger in die Raumfahrt investieren?
Der Zugang zum Raumfahrtmarkt ist einfacher geworden, erfordert aber eine sorgfältige Auswahl. Da die größten Pioniere wie SpaceX und Blue Origin noch nicht börsennotiert sind, müssen Anleger oft kreative Wege gehen.
- Aktien von börsennotierten Raumfahrtunternehmen: Es gibt eine wachsende Zahl von Pure-Play-Unternehmen an der Börse. Dazu gehören Raketenhersteller wie Rocket Lab (RKLB), Satellitenbetreiber wie Iridium Communications (IRDM) oder Erdbeobachtungsspezialisten wie Planet Labs (PL). Auch Virgin Galactic (SPCE) ist handelbar, bleibt aber eine hochvolatile Wette auf den Tourismus.
- Spezialisierte Raumfahrt-ETFs: Für Anleger, die das Risiko streuen möchten, bieten sich Exchange Traded Funds (ETFs) an. Beispiele sind der ARK Space Exploration & Innovation ETF (ARKX) oder der Procure Space ETF (UFO). Diese Fonds investieren in ein breites Portfolio von Unternehmen, die in der Raumfahrt und verwandten Technologien tätig sind, und reduzieren so das Einzelaktienrisiko.
- Investments in Zulieferer und etablierte Konzerne: Ein oft übersehener, aber intelligenter Ansatz ist die Investition in die "Schaufelhersteller" des Goldrausches im All. Etablierte Luft- und Raumfahrtkonzerne wie Boeing, Airbus oder Lockheed Martin sind wichtige Partner staatlicher Programme und privater Missionen. Auch Technologieunternehmen profitieren massiv: Die riesigen Datenmengen der Satelliten müssen verarbeitet werden, was Cloud-Anbietern wie Amazon Web Services (AWS) und Chipherstellern wie Nvidia zugutekommt.
Fakten zur New Space Economy auf einen Blick | Wert / Information |
Prognostiziertes Marktvolumen bis 2040 | Über 1 Billion US-Dollar |
Jährliches Risikokapital (Schnitt 2023/24) | ca. 14,5 Mrd. US-Dollar |
Kostenreduktion pro kg in den Orbit (seit 2000) | Über 95 % (dank Wiederverwendbarkeit) |
Aktive Satelliten im Orbit (Stand Anfang 2025) | Über 9.000 (stark steigend) |
Wichtige private Unternehmen (nicht börsennotiert) | SpaceX, Blue Origin, Sierra Space |
Wichtige börsennotierte Unternehmen | Rocket Lab, Iridium, Planet Labs, Virgin Galactic |
Chancen gegen Risiken: Eine nüchterne Abwägung
Kein Investment mit hohem Potenzial kommt ohne erhebliche Risiken. Anleger müssen beide Seiten der Medaille betrachten.
Die Chancen:
- Enormes Wachstumspotenzial: Die Raumfahrt ist ein Sektor, der ganze Industrien revolutionieren kann und sich noch in einer frühen Phase befindet.
- Disruptive Innovation: Fortschritte in der Raumfahrt treiben Technologien in Bereichen wie KI, Materialwissenschaften und Kommunikation voran.
- Diversifikation: Ein Investment in die Raumfahrt kann ein Portfolio um einen zukunftsorientierten Sektor erweitern, der nur gering mit traditionellen Märkten korreliert.
Die Risiken:
- Hohe Volatilität: Aktienkurse können stark schwanken, beeinflusst durch den Erfolg oder Misserfolg einzelner Raketenstarts. Ein technisches Versagen kann Milliardenwerte vernichten.
- Kapitalintensität und lange Horizonte: Die Entwicklung von Raumfahrttechnologie ist extrem teuer. Bis Unternehmen profitabel werden, können Jahre oder Jahrzehnte vergehen.
- Regulatorische und geopolitische Unsicherheit: Die Regulierung des Weltraums (z. B. im Umgang mit Weltraumschrott) steckt noch in den Kinderschuhen. Geopolitische Spannungen können die Zusammenarbeit und den Marktzugang behindern.
- Beschränkter Zugang: Die marktführenden Unternehmen sind für Privatanleger oft noch nicht direkt zugänglich, was die Investitionsmöglichkeiten einschränkt.
Fazit: Ein Investment für geduldige Visionäre
Die New Space Economy ist keine kurzfristige Spekulation, sondern eine langfristige Investitionsthese in die Infrastruktur der Zukunft. Die Kommerzialisierung des Weltraums hat einen Punkt erreicht, an dem sie unumkehrbar scheint. Die Technologie entwickelt sich in einem atemberaubenden Tempo, und die Anwendungsfälle auf der Erde – von globalem Internet bis zur Klimaforschung – werden immer konkreter und profitabler.
Für Anleger bedeutet dies eine einmalige Gelegenheit, an einer der größten industriellen Revolutionen unserer Zeit teilzuhaben. Es erfordert jedoch eine sorgfältige Due Diligence, eine hohe Risikotoleranz und vor allem Geduld. Der Weg zu den Sternen ist mit Herausforderungen gepflastert, aber für diejenigen, die bereit sind, den langen Flug anzutreten, könnten die Renditen am Ende wahrhaft astronomisch sein.