Mayr-Melnhof: Still im Verpackungsmarkt, Green Deal als Wachstumsmotor?

Als stiller Champion der Verpackungsindustrie steht Mayr-Melnhof am Scheideweg. Einerseits belasten schwache Nachfrage und Preisdruck, andererseits winkt durch den Green Deal eine Jahrhundertchance. Eine Analyse der Aktie zwischen kurzfristigem Gegenwind und langfristigem Megatrend.

Veröffentlicht am 03.07.2025

Wer ist Mayr-Melnhof? Ein Riese im Verborgenen

Um die Tragweite der aktuellen Entwicklungen zu verstehen, ist ein Blick auf die Struktur des Unternehmens unerlässlich. Mayr-Melnhof ist weit mehr als nur ein Kartonproduzent. Das Geschäftsmodell ruht auf zwei starken Säulen, die sich strategisch ergänzen: MM Board & Paper und MM Packaging. Diese Zweiteilung ermöglicht es dem Konzern, die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohstoffproduktion bis zur fertigen, bedruckten Verpackung abzudecken.

Die Division MM Board & Paper ist das Fundament des Konzerns. Hier wird der Rohstoff – überwiegend Recyclingkarton, aber auch Frischfaserkarton – in großem Maßstab hergestellt. Dieser Bereich ist naturgemäß kapitalintensiv und von Rohstoff- sowie Energiepreisen abhängig. Er generiert rund 43 % des Konzernumsatzes, trägt aber mit etwa 15 % einen kleineren Teil zum operativen Ergebnis (EBITDA) bei. Die Hauptaufgabe dieser Sparte ist die Versorgung der eigenen Verpackungswerke sowie der Verkauf an Drittkunden.

Die eigentliche Wertschöpfung und die höheren Margen finden in der Division MM Packaging statt. Dieser Bereich veredelt den Karton zu fertigen Verpackungslösungen. Er gliedert sich weiter in zwei spezialisierte Einheiten:

  1. Food & Premium Packaging: Dies ist das mit Abstand profitabelste Segment. Es macht etwa 42 % des Umsatzes aus, erwirtschaftet aber beeindruckende 66 % des EBITDA. Hier entstehen die hochwertigen Faltschachteln für Lebensmittel, Süßwaren, Kosmetika und andere Konsumgüter des täglichen Bedarfs.
  2. Pharma & Healthcare Packaging: Obwohl dieses Segment mit 15 % Umsatz und 19 % EBITDA kleiner ist, hat es eine enorme strategische Bedeutung. MM ist hier der führende Anbieter für Sekundärverpackungen (Faltschachteln, Beipackzettel) in Europa und Nordamerika. Die hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen in der Pharmaindustrie schaffen hohe Eintrittsbarrieren und sorgen für stabile Kundenbeziehungen.

Diese Struktur macht MM zu einem systemrelevanten Partner für die größten Konsumgüter- und Pharmakonzerne der Welt. Mit einem globalen Netzwerk von Produktionsstandorten ist das Unternehmen tief in den Lieferketten seiner Kunden verankert.

Die aktuelle Geschäftslage: Ein Blick auf die Zahlen von 2025

Um die aktuelle Dynamik zu bewerten, lohnt sich ein Blick auf die jüngsten Finanzkennzahlen. Stand heute, der 3. Juli 2025, zeigen die Ergebnisse für das erste Quartal 2025 ein auf den ersten Blick widersprüchliches Bild. Der Konzernumsatz stieg nur leicht um 1,7 % auf 1,04 Milliarden Euro. Dies deutet auf eine weiterhin verhaltene Nachfrage und einen intensiven Wettbewerb hin, der die Preise unter Druck setzt. Das Management selbst warnt vor anhaltendem Margendruck, insbesondere im Kerngeschäft mit Lebensmittelverpackungen.

Gleichzeitig explodierten jedoch die Ertragszahlen. Das bereinigte EBITDA kletterte um über 26 % auf 119,3 Millionen Euro, und das bereinigte Betriebsergebnis legte sogar um fast 54 % auf 61 Millionen Euro zu. Der Periodenüberschuss hat sich nahezu verdoppelt. Wie passt das zusammen? Die Antwort liegt in einer Kombination aus Effizienzsteigerungen, einer erfolgreichen Integration jüngster Akquisitionen und vor allem einer Entspannung bei den Kosten. Nach den extremen Preissteigerungen für Energie und Rohstoffe in den Vorjahren haben sich die Beschaffungsmärkte normalisiert, was die Margen trotz des Preisdrucks auf der Verkaufsseite deutlich verbessert hat. Mayr-Melnhof beweist hier eine hohe operative Exzellenz und Kostenkontrolle.

Dennoch bleibt die Nachfrageschwäche eine Herausforderung. Die Konsumenten halten sich aufgrund der Inflation zurück, und die Kunden von MM haben ihre Lagerbestände reduziert. Das Umfeld bleibt volatil, was eine präzise Prognose für das Gesamtjahr erschwert.

Der Green Deal als Katalysator: Chance oder Risiko?

Die mit Abstand größte strategische Kraft, die auf Mayr-Melnhof wirkt, ist der europäische Green Deal und der globalen Trend zu mehr Nachhaltigkeit. Die regulatorischen Vorgaben, wie die EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation, PPWR), zielen darauf ab, den Einsatz von Plastik zu reduzieren, die Recyclingquoten zu erhöhen und eine echte Kreislaufwirtschaft zu etablieren. Für ein Unternehmen, dessen Geschäftsmodell auf dem nachwachsenden und recyclebaren Rohstoff Holzfaser basiert, ist dies eine Jahrhundertchance.

Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Substitution von Kunststoff: Immer mehr Markenhersteller suchen nach Alternativen für ihre Plastikverpackungen. MM ist hier mit seinen faserbasierten Lösungen perfekt positioniert. Jeder Joghurtbecher, der von Plastik auf Karton umgestellt wird, ist ein potenzieller Auftrag für MM.
  • Hohe Recyclingfähigkeit: Karton und Papier haben in Europa bereits eine etablierte und hocheffiziente Recyclinginfrastruktur. Die Recyclingquote liegt bei über 80 %, ein Wert, von dem Kunststoffverpackungen nur träumen können.
  • Regulatorischer Rückenwind: Gesetze und Vorschriften zwingen Wettbewerber, die stark auf weniger nachhaltige Materialien setzen, zum Umdenken und zu teuren Investitionen. MM profitiert von diesem Druck auf den Markt.

Doch die Medaille hat wie immer zwei Seiten. Die Ausrichtung auf den Green Deal birgt auch signifikante Risiken und Herausforderungen:

  • Hohe Investitionskosten: Die Entwicklung neuer, innovativer Verpackungslösungen, die beispielsweise die Barriereeigenschaften von Plastik (Schutz vor Feuchtigkeit oder Sauerstoff) mit Faser ersetzen, erfordert massive Investitionen in Forschung, Entwicklung und neue Maschinen.
  • Technologische Hürden: Nicht alle Kunststoffanwendungen lassen sich einfach 1:1 durch Karton ersetzen. Die Entwicklung funktionaler und gleichzeitig kosteneffizienter Alternativen ist ein komplexer Prozess.
  • Preisbereitschaft der Kunden: Nachhaltige Verpackungen sind oft noch teurer in der Herstellung. Die entscheidende Frage ist, ob die Markenhersteller und letztlich die Endverbraucher bereit sind, diesen Aufpreis zu zahlen, insbesondere in einem inflationären Umfeld.

Die Strategie von Mayr-Melnhof besteht darin, diese Herausforderungen proaktiv anzugehen und sich als Innovationsführer zu positionieren, anstatt nur auf den regulatorischen Druck zu reagieren.

Innovationskraft als Schlüssel zum Erfolg

Mayr-Melnhof hat erkannt, dass die bloße Verfügbarkeit von Karton nicht ausreicht. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, den Kunden fertige Lösungen für ihre spezifischen Probleme anzubieten. Ein Paradebeispiel hierfür sind die sogenannten Barrierekartons. Diese innovativen Materialien verfügen über spezielle Beschichtungen, die auf Wasserbasis oder biologisch abbaubar sind und den Inhalt vor äußeren Einflüssen schützen. Sie ermöglichen es, Lebensmittel wie gekühlte Fertiggerichte oder fettige Produkte sicher in Karton zu verpacken, wo bisher nur kunststoffbeschichtete Schalen oder Folien infrage kamen.

Ein weiteres Innovationsfeld ist die Materialreduktion. Durch intelligentes Design und den Einsatz stabilerer Kartonsorten gelingt es, Verpackungen leichter zu machen, ohne ihre Schutzfunktion zu beeinträchtigen. Das spart nicht nur Rohstoffe und Kosten, sondern reduziert auch den CO2-Fußabdruck beim Transport. Das Unternehmen investiert gezielt in die Entwicklung von Produkten, die nicht nur recycelbar, sondern auch kompostierbar sind und so einen vollständigen biologischen Kreislauf ermöglichen.

Diese Innovationskraft ist entscheidend, um den Vorsprung gegenüber der Konkurrenz zu halten und die höheren Margen im Verpackungsgeschäft zu rechtfertigen. Es geht darum, vom reinen Rohstofflieferanten zum unverzichtbaren Lösungspartner für eine nachhaltige Zukunft zu werden.

Merkmal Information
Name des Unternehmens Mayr-Melnhof Karton AG
Hauptsitz Wien, Österreich
Kerngeschäft Produktion von Karton und Faltschachteln
Wichtige Segmente Board & Paper, Food & Premium Packaging, Pharma & Healthcare Packaging
Umsatz (Q1 2025) 1,0426 Mrd. Euro
Bereinigtes EBITDA (Q1 2025) 119,3 Mio. Euro
Marktposition Europas Nr. 1 bei Karton und Faltschachteln; Führend bei Pharmaverpackungen
Strategischer Fokus Nachhaltige, faserbasierte Verpackungslösungen als Ersatz für Kunststoff

Die Perspektive für Anleger: Ein Investment mit Weitblick?

Für Investoren stellt sich die Frage, ob die Mayr-Melnhof-Aktie trotz der kurzfristigen konjunkturellen Unsicherheiten ein attraktives langfristiges Investment ist. Die Analyse legt eine differenzierte Antwort nahe.

Das Bullen-Szenario ist klar: Mayr-Melnhof ist auf den Megatrend Nachhaltigkeit perfekt ausgerichtet. Der Green Deal fungiert als struktureller, langfristiger Wachstumstreiber, der weit über kurzfristige Konjunkturzyklen hinausgeht. Die starke Marktposition, die hohe Innovationskraft und die operative Effizienz schaffen eine solide Basis. Gelingt es dem Unternehmen, seine Führung bei nachhaltigen Verpackungsalternativen weiter auszubauen, winken jahrelanges Wachstum und steigende Margen. Die jüngsten Ertragssteigerungen zeigen, dass das Management in der Lage ist, auch in schwierigen Zeiten profitabel zu wirtschaften.

Das Bären-Szenario darf jedoch nicht ignoriert werden. Der anhaltende Preisdruck und die schwache Nachfrage im Konsumgüterbereich sind reale kurz- bis mittelfristige Risiken. Die hohen Investitionen in neue Technologien könnten die Gewinne vorübergehend belasten. Zudem schläft der Wettbewerb nicht. Auch andere große Verpackungshersteller aus Europa und Skandinavien investieren massiv in faserbasierte Lösungen, was den Wettbewerb weiter verschärfen könnte. Eine schnelle Verschärfung der Regulatorik könnte zudem zu Umsetzungsproblemen in der gesamten Industrie führen.

Für Anleger bedeutet dies, die Entwicklung genau zu beobachten. Wichtige Kennzahlen sind die Margenentwicklung im Verpackungssegment, die Auftragseingänge als Indikator für eine Nachfrageerholung und vor allem der kommerzielle Erfolg der neuen, nachhaltigen Produktlinien. Die Aktie ist weniger eine Wette auf die nächste Quartalszahl als vielmehr ein Investment in die grundlegende Transformation der Verpackungsindustrie.

Fazit – Mehr als nur Pappe

Mayr-Melnhof befindet sich an einem entscheidenden Punkt seiner langen Unternehmensgeschichte. Der stille Champion aus Österreich hat die Chance, sich als einer der größten Gewinner der grünen Revolution in Europa zu etablieren. Das Fundament aus einer führenden Marktposition und einer auf den Rohstoff Faser ausgerichteten Produktion ist exzellent. Der EU Green Deal ist dabei kein Damoklesschwert, sondern ein starker Rückenwind, der das Kerngeschäft beflügelt.

Der Weg dorthin ist jedoch kein Selbstläufer. Er erfordert kontinuierliche Innovation, hohe Investitionsbereitschaft und die Fähigkeit, die Kunden von der Funktionalität und dem Mehrwert nachhaltiger Verpackungen zu überzeugen. Die Balance zwischen kurzfristigem Margendruck und langfristiger strategischer Positionierung wird die größte Herausforderung für das Management sein. Gelingt dieser Spagat, ist Mayr-Melnhof weit mehr als nur ein Hersteller von Pappe – es ist ein entscheidender Wegbereiter für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und damit eine der spannendsten Industrie-Aktien Europas.

* Enthält bezahlte Werbelinks .

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